Im Bann Des Jaegers
Flucht«, ihre Stimme klang schläfrig, »hat Whitney zu jeder von uns einen Tätowierer geschickt und uns eine Blume auf den Knöchel tätowieren lassen. Mari war die Einzige, die kein Tattoo bekam, weil sie noch nicht zurückgekehrt war. Alle anderen haben eines.«
Kane schloss einen Moment lang die Augen und fluchte tonlos. Sämtliche Frauen, die entkommen waren, schwebten in Gefahr. Whitney hatte eine alternative Methode gefunden, um sie aufzuspüren. Er war irgendwann zu der Auffassung gelangt, jede Frau, die entkäme, könnte den Chip aus ihrer Hüfte entfernen, und daher hatte er sich eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme einfallen lassen. Eine Kleinigkeit an dieser sehr detailgetreuen Rose, der er bisher keine tiefere Bedeutung beigemessen hatte, zog Kanes Aufmerksamkeit jetzt auf sich. Die Blütenblätter waren in mehreren Schichten angeordnet, und an zwei Stellen waren sie tatsächlich leicht erhaben. Da er diese zarten Blütenblätter die halbe Nacht lang liebevoll gestreichelt hatte, war er bestens damit vertraut, wie sie sich unter seinen Fingerspitzen anfühlten.
Whitney hatte eine Möglichkeit gefunden, einen Signal- oder Impulsgeber in das Tattoo zu integrieren. Wahrscheinlich lief es über einen Satelliten, was erklärte, warum er sie, je nachdem, wo sie sich aufhielt, zwischendurch aus den Augen verlor. Früher oder später würde es Whitney immer gelingen, sie zu finden. Kane unterzog die Blütenblätter einer sorgfältigen Untersuchung. Besonders verdächtig waren die beiden leicht erhabenen, die der Mitte am nächsten waren. Wenn er seinen Daumen über die Blütenblätter gleiten ließ, fühlte er winzige Erhebungen, die ihn an die Punkte der Blindenschrift erinnerten.
Rose rührte sich und wirkte plötzlich alarmiert. »Was hat er getan? Ich mag diese Rose an meiner Fessel. Bei allem anderen, was Whitney getan hat, hat sich mir immer der Magen umgedreht, nur dabei nicht. Stimmt etwas nicht mit dem Tattoo?«
»Ich glaube, es sendet ein Signal an einen Satelliten. Ich muss nur noch dahinterkommen, wie das funktioniert. Ich wünschte, Jaimie oder Javier wäre hier. Sie verstehen beide sehr viel von elektronischen Dingen.«
»Ich hätte es mir ja denken können«, sagte Rose angewidert. »Wie konnte ich bloß glauben, Whitney täte etwas, um uns eine Freude zu machen?«
»Ihr alle musstet einfach glauben, dass ihr für ihn als Menschen zählt. Mütter hattet ihr keine, und Whitney war die einzige Vaterfigur, die ihr jemals hattet. Er hat euer Leben geformt. Ihr alle habt dafür gelebt, seine Anerkennung zu erringen. Er hat euch großgezogen. Jedes Kind sucht die Anerkennung und die Liebe seiner Eltern. Whitney war alles, was ihr hattet.«
Rose drehte sich vorsichtig um und zuckte dabei zusammen. »Was ist mit dir? Hattest du die Anerkennung deiner Eltern?«
»Wohl kaum.« Er ging nicht ins Detail. Wozu auch? Er hatte seine Jugend auf der Straße verbracht, in dunklen Gassen. Zum Schlafen war er in Macks Keller gekrochen, und sein Körper war mit blauen Flecken übersät gewesen, wenn es seinem Vater gelungen war, ihn zu erwischen, doch das war selten vorgekommen. Er war zu einem großen, kräftigen und nicht ganz ungefährlichen Jungen herangewachsen. Irgendwann hatte sein Vater angefangen, sich vor ihm zu fürchten. Seiner Mutter war das alles ganz egal gewesen. Ihre einzige Sorge war, woher der nächste Schuss kam. Mack war seine Familie, Mack und die anderen.
»Dann können sie nicht besonders klug gewesen sein. Wie werde ich diese Tätowierung los?«
Er hörte keine Spur von Selbstmitleid, obwohl ihr anzumerken war, dass sie das Tattoo wirklich liebte und es abscheulich fand, sich davon trennen zu müssen. Dieses Symbol stand für das, was sie war.
»Ich bezweifle, dass wir die Rose tatsächlich entfernen müssen. Wir müssen nur dahinterkommen, wie wir unterbinden können, dass das Signal gesendet wird.« Er strich über die winzig kleinen Knubbel. »Ich glaube, hier ist der Sender, in diesen beiden Blütenblättern. Ich weiß nicht, ob er unter deiner Haut implantiert ist oder ob er auf irgendeine Weise in der Tinte selbst ist. Mit solchen Sachen kenne ich mich einfach nicht gut genug aus.«
»Wirst du ihn rausschneiden müssen?« In ihrer Stimme schwangen Sorge und Entschlossenheit zugleich mit. Rose scheute so schnell vor nichts zurück.
»Das kommt nicht infrage. Wir lösen das anders.«
»Wenn wir es nicht schaffen, wirst du das Baby nehmen und fortgehen müssen,
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