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Im Bann des Kindes

Im Bann des Kindes

Titel: Im Bann des Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Träumer geliefert hatte, wußte Raphael, daß es ein Zeichen war. Nur worauf es ihn hinwies, was es ihm zeigen wollte, lag noch im dunkeln.
    Aber vielleicht wich dieses Dunkel, so wie der neue Tag die Nacht mehr und mehr vertrieb, während der Gesandte oben an den Klippen saß und die aufgehende Sonne beobachtete. Und er hoffte insgeheim, daß das, was dieser Tag ihm bringen mochte, etwas mit jener Frau zu tun hatte, an die zu denken er sich in den vergangenen Wochen immer wieder verboten hatte - meist erfolglos.
    So erfolglos, wie er sich während der Nacht an andere Dinge zu erinnern versucht hatte.
    An sein Leben vor Illuminati beispielsweise.
    Er hatte es schon oft zuvor versucht. Aber immer wieder endeten seine Erinnerungen an dem Punkt, an dem er sich zum ersten Mal im Kloster sah. Nur war er damals schon sechzehn Jahre alt gewesen. Ungefähr jedenfalls; denn nicht einmal das vermochte er mit Sicherheit zu sagen.
    Wenn es ein Vorher gegeben hatte, hatte er keinen Zugriff auf dieses Wissen. Als wäre es aus seinem Gedächtnis gelöscht worden -oder so tief darin verborgen, daß er es niemals mehr finden konnte.
    Drüben im Dorf, von dem Raphael Baldacci sich ungefähr eine halbe Meile entfernt hatte, erwachte das Leben. Erste Boote fuhren hinaus auf den Atlantik, Fischer warfen ihre Netze aus, und zwischen den Felsen um ihn her stiegen Möwen kreischend auf, folgten den Menschen, hungrig auf ihr Frühstück.
    Ein Gefühl, das der Gesandte mit ihnen teilte.
    Er erhob sich von dem Stein, auf dem er gesessen hatte, und machte sich auf den Weg nach Meat Cove, um dort etwas zu essen - und um sich umzuhören.
    Wonach, würde er in dem Moment wissen, da er es hörte.
    *
    Judy Lorraine hatte Kitty Brody am Steuer des Kenworth-Trucks abgelöst. Gerade noch rechtzeitig, bevor ein Unglück geschehen konnte. Beinahe zu spät hatte Lilith gemerkt, daß nur noch ihr Wille es gewesen war, der der rothaarigen Truckerin die Augen offen hielt. Denn obwohl es Kitty Brody war, die den schweren Sattelzug durch die Nacht lenkte, hatte Lilith die Richtung und das Tempo bestimmt.
    Daß sie die Strecke in so kurzer Zeit geschafft hatten, kam der Halbvampirin wie ein Wunder vor. Und vielleicht war es das ja auch.
    Der Ruf, das Locken waren mit jeder Meile drängender geworden - und stärker. Der Gedanke, sich ihm zu verweigern, der anfangs noch wie ein fahler Blitz in Lilith aufgezuckt war, hatte im gleichen Maße an Kraft verloren und war schließlich vollends erloschen.
    Dennoch hatte sie sich verboten, die Augen zu schließen, nicht einmal, um nur zu dösen. Sie wollte nicht noch einmal träumen, nicht von ihm. Denn sie fürchtete, aus dem Traum nicht mehr zu erwachen.
    Daß dieser Wunsch im Grunde dem widersprach, weswegen sie sich hierher hatte bringen lassen, wußte Lilith wohl, aber sie war machtlos dagegen. Verwirrung war alles beherrschend in ihr - und in diesem Durcheinander erstickte jeder Gedanke der Vernunft.
    Sie fühlte sich erschöpft, zerschlagen, als sie im Licht des noch jungen Tages aus dem Truck stieg. Woher sie die Klarheit für ihre Abschiedsworte nahm, wußte sie nicht. Aber für einen ganz kleinen Moment war sie einfach wieder sie selbst, Herr über ihr Tun und Denken, als sie zu Judy in die Kabine des Trucks hinaufsah und sagte: »Es tut mir leid.«
    Die blonde Truckerin nickte ihr zu, lächelnd. Und Lilith ließ ihr das Lächeln; solange jedenfalls, bis Judy vergessen hatte, was in dieser Nacht geschehen war. Sie wendete das Gespann und fuhr davon. Lilith sah dem Truck nicht nach. Sie wandte sich ab, nun wieder geführt von etwas Fremdem. Sie sah sich inmitten eines Ortes stehen, von dem sie wußte, daß er nicht ihr Ziel war. Nur, daß er ihm nahe lag. Das Ziel war - - dort oben.
    Ihr Blick fand das trutzige Bauwerk am Berghang wie von selbst und löste sich nicht mehr davon.
    Die Halbvampirin trat von der Straße, schlüpfte in die Gasse zwischen zwei Häusern, und ein paar Sekunden später stieg ein flatternder Schatten daraus empor.
    Eine schrillen Laut ausstoßend, flog die Fledermaus auf Kilchren-an Castle zu.
    *
    »Wo steckt denn Clarence? Hat er gestern zuviel getankt?«
    Garry Troake schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, veredelte das schwarze Gebräu mit einem Schuß »Lebenswasser« und nahm dann am Tresen im »Blue Moose« Platz. Wie er es jeden Morgen tat, bevor die Boote wieder in den Hafen einliefen und er mithalf, sie zu entladen. Und eigentlich war Troake es gewohnt, an jedem Morgen auf dem

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