Im Bann des Maya-Kalenders
Weltverschwörungskonstrukt pressen viele Zeugen auch die UNO, die in ihren Augen ein Produkt des Antichristen ist. Argumente, mit denen auch die Neuen Rechten, die »Neuheiden«, viele Esoteriker und Theosophen ihre rassistischen Ideologien und Weltverschwörungstheorien rechtfertigen.
In die weltliche Kategorie reihen die Zeugen auch traditionelle Feste ein. Kirchliche Feiertage wie Ostern und Weihnachten werden als nichtbiblisch oder heidnisch abgelehnt, in Geburtstagen,
nationalen Feiertagen oder Muttertagen sehen sie die Verehrung von Personen oder Institutionen, was sie als eine Art Götzendienst interpretieren. Dies wirkt sich vor allem für die Kinder der Zeugen Jehovas diskriminierend aus, die in der Regel nicht an Schulfesten teilnehmen oder im Schultheater mitspielen dürfen.
Die Sehnsucht nach dem Jenseits entfremdet die Geistgesalbten und die »anderen Schafe« oft vom irdischen Alltag. Es ist für sie schiere Zeitverschwendung, in weltliche Belange zu investieren. Angesichts der bevorstehenden Apokalypse ist beispielsweise die Berufsausbildung sekundär. Diese »Dinge des Systems« lenken höchstens davon ab, das Heilsziel mit letzter Konsequenz zu verfolgen. Junge Paare haben oft Skrupel, Kinder auf die Welt zu stellen. Vor allem die Frauen, die bei den Zeugen ohnehin oft nur eine dienende Rolle spielen, werden häufig innerlich zerrissen: Strenggläubige Zeuginnen haben religiöse Gewissensbisse, »kurz vor Harmagedon« ein Kind zu zeugen. So hörten in den vergangenen 100 Jahren Zehntausende die biologische Uhr ticken, die sie mit dem apokalyptischen Glockenschlag verwechselten.
21. Apokalyptische Horrorvisionen von Scientology
Die Pseudokirche und Wirtschaftssekte Scientology kann für sich in Anspruch nehmen, eine der bekanntesten Kultbewegungen zu sein. Die umstrittene Organisation sorgt regelmäßig für Schlagzeilen. Die kritischen Publikationen über die vom Amerikaner L. Ron Hubbard (1911–1986) gegründete Pseudokirche sind unüberschaubar, doch viele vernachlässigen einen wichtigen Aspekt: Der Psychokult strebt nicht nur die globale Macht an, er hat auch einen ausgeprägten apokalyptischen Kern.
In den Schriften von L. Ron Hubbard verstecken sich etliche Aussagen mit Endzeitcharakter. Der Gründer des internationalen Sektenimperiums ersann eine ebenso eigene wie eigenwillige Form der Apokalypse. Der ehemalige Science-Fiction-Autor war schon als junger Mann von Zeitreisen fasziniert, die ihn in apokalyptische Sphären führten. Hubbard behauptete auch, eine Stippvisite im Himmel gemacht zu haben. Am 9. Mai 1963 um 22.02 Uhr und dreißig Sekunden erklärte er, er sei vor genau 43.891.832.611.177 Jahren, 344 Tagen, 10 Stunden, 20 Minuten und 40 Sekunden das erste Mal im Himmel gewesen. »Die Torsäulen sind von Marmorengeln gekrönt. Die Eingangsgefilde sind sehr gepflegt und angelegt wie die Bush Gardens in Pasadena, die man so oft im Film sieht«, schrieb Hubbard in einem Bulletin. Der zweite Besuch im Himmel – Milliarden von Jahren später – muss ihm einen Schock versetzt haben. »Die Stätte ist zerfallen, die Vegetation dahin. Die Säulen sind geborsten. Die Heiligen sind verschwunden. Die Engel ebenso. Auf der einen Seite (der linken, wenn man hineingeht) steht ein Schild mit der Aufschrift: Dies ist der Himmel. Ein Schild zur rechten verkündet: Hölle.«
Hubbard nannte seine Organisation zwar Kirche, doch er weigerte sich, einen Gott zu definieren. Er erklärte unumwunden, dass sich Scientology nicht mit dem höchsten Wesen befasse. Eine »Kirche«, die Gott ausklammert? Hubbard brauchte keinen Gott. Diese Aufgabe scheint gerade anspruchsvoll genug für einen »Religionsführer« seiner Statur zu sein. Hubbard schneiderte sich eine klassische Rolle als Heilsbringer auf den Leib. Der Sektengründer erklärte ohne Umschweife, dass die Welt ohne ihn verloren sei. Rettung verspreche einzig seine »Technologie«. Die apokalyptische Reinigung sollen Hubbards Kolonnen bewirken: »Die einzige winzige Chance, die dieser Planet hat, lastet auf paar schmalen Schultern – überarbeitet, unterbezahlt und bekämpft – die Scientologen.«
Seine Allmachtfantasien reichten aus, sich in der Rolle des
globalen Erlösers zu sehen. Dabei gelang es ihm, seinen Anhängern glauben zu machen, er verfüge über gottähnliche Fähigkeiten.
Hubbard legte den apokalyptischen Tarif definitiv fest: »Die Welt hat optimistisch gesehen noch fünf Jahre übrig, pessimistisch gesehen noch zwei. Danach
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