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Im Bann des Maya-Kalenders

Im Bann des Maya-Kalenders

Titel: Im Bann des Maya-Kalenders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Stamm
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Ausreden. In sibyllinischen Aussagen, die teilweise in krassem Widerspruch zu den Vorhersagen standen, wurden die Gläubigen besänftigt. Russell habe die vorhergesehenen Ereignisse nicht ganz richtig interpretiert, hieß es. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges sei 1914 ein schicksalsschweres Jahr für die Menschheit gewesen. Der Präsident der WTG habe mit seiner visionären Kraft den Weltkrieg erfasst und ihn als Harmagedon interpretiert. Und rasch wurde für 1918 ein neues Datum für das Ende der Zeit vorhergesagt. Russell erlebte das Datum nicht mehr, er starb 1916.
    Den Machtkampf um das Erbe des Gründers entschied Joseph Franklin Rutherford (1869–1941) für sich. Er versprach den Gläubigen, sie würden am Jüngsten Tag exklusiv ins Reich Gottes eingehen. Die Zahl der 144.000 Geretteten leiten die Gläubigen vom biblischen Hinweis auf die 12 jüdischen Stämme mit den je 12.000 Gläubigen ab, die nach dem Jüngsten Tag an der Seite Gottes thronen dürfen.
    Als das ominöse biblische Kontingent von 144.000 ausgeschöpft war und sich das Ende der Zeit noch immer nicht abzeichnete, führte die WTG-Führungsspitze ein Zweiklassensystem ein. Für die Überzähligen gab’s nun plötzlich ein Paradies auf Erden.
    Um die Expansion voranzutreiben, ersann der versierte Religionsmanager Rutherford eine effiziente Missionstaktik. Er deklarierte das religiöse Bezeugen in der Öffentlichkeit, also das Missionieren, als unabdingbare Dienstleistung zur Erlangung des eigenen Seelenheils. Der Pilgerweg von Haustür zu Haustür wurde zum Felddienst erklärt. Die Anhänger mussten sich in Bibelkursen zu Freizeitmissionaren ausbilden lassen, zu Hunderttausenden schwärmten sie aus. Die Taktik hatte Erfolg, die Wachtturmgesellschaft breitete sich rasch aus.

    Rutherford versuchte sich ebenfalls als »Prophet« und sagte das Ende der Welt auf das Jahr 1925 voraus. Als nichts daraus wurde, meinte Rutherford kleinlaut, dass er sich in Zukunft zeitlich nicht mehr festlegen wolle. Aber er veröffentlichte eine Schrift mit dem Titel »Millionen jetzt lebender Menschen werden nie sterben«, und suggerierte den Gläubigen, sie würden den Jüngsten Tag noch in irdischer Gestalt erleben und direkt ins Paradies eingehen.
    Sein Nachfolger Nathan Homer Knorr (1905–1977) verkündete sinngemäß, Adam sei im Jahre 4026 v. Chr. geboren, und die Menschheitsgeschichte werde laut Bibel 6000 (2 Petr 3.8) Jahre dauern (Gott hat die Welt in sechs Tagen erschaffen, wobei ein Tag tausend Menschenjahre daure.) Folglich müsse sich die Apokalypse am Ende des Jahres 1975 ereignen. Als das besagte Jahr näher rückte, hielt das Management aber nicht mehr mit letzter Konsequenz daran fest. Es hatte wohl Angst vor einer erneuten Blamage.
    Hat Jesus 1914 den Himmelsthron bestiegen?
    Unter ihrem vierten Präsidenten Frederick William Franz (1893–1992) behauptete die WTG-Führungsspitze, Jesus habe 1914 den Thron der Himmelsregierung bestiegen, von dem aus er die Welt regiere. »Die Generation von 1914 wird nicht vergehen«, hieß es noch Ende der 1970er-Jahre im »Wachtturm«. Eine Generation daure maximal 70 Jahre, wurde verkündet. Das Buch »Du kannst für immer im Paradies auf Erden leben« (1982) machte aus der apokalyptischen These eine Lehrmeinung.
    Als auch das Jahr 1984 ergebnislos verstrich, wurde die Dauer der »letzten Generation« flugs auf 80 Jahre ausgedehnt. Im Juni 1989 verkündete die Zentrale in Brooklyn: »Alle Geschehnisse deuten daraufhin, dass die Nationen sich dem großen Höhepunkt nähern. Harmagedon steht vor der Tür; und es ist der aufrichtige
Wunsch vieler Menschen, dieser Katastrophe zu entgehen und die Rettung zu ewigem Leben zu finden.« Noch im Mai 1993, also rund ein Jahr vor Ablauf der apokalyptischen Frist, hieß es im »Wachtturm«: »Jesus kam im Jahre 1914 in seiner Herrlichkeit. Er ging mit all seinen Engeln in die Offensive, indem er seine dämonischen Feinde angriff und aus dem Himmel warf. Was gemäß seinem Gleichnis danach geschah, lässt uns erkennen, dass dadurch, dass sich Jesus auf einen Thron der Herrlichkeit setzte, eine Gerichtszeit während seiner Gegenwart dargestellt wird.« (Zitat »Aus Christlicher Verantwortung« 4/95 und 1/96).
    Das Jahr 1994 kam und ging, das Kader der Zeugen Jehovas musste sich eine neue Ausrede einfallen lassen. »Da nun schon 80 Jahre seit 1914 vergangen sind, können wir offensichtlich sehr bald mit der Befreiung durch Gottes Königreich rechnen«, verkündeten die

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