Im Bann des Maya-Kalenders
beherrschen oder unterdrücken. Starke Gefühle werden zur Bedrohung, weil sie die Menschen an säkulare Bedürfnisse binden. Als Ersatz bieten viele Glaubensgemeinschaften religiöse Rituale an, die euphorische oder ekstatische Entäußerungen erlauben. Durch die jahrelangen gruppendynamischen Prozesse und die Bewusstseinskontrolle haben viele ihre Autonomie im Denken, Fühlen und Handeln verloren.
Die konsequente Verdrängung weltlicher Bedürfnisse führt nicht selten zu Sublimierungen: Die unterdrückten Energien und Emotionen suchen sich Ventile. Dies führt oft zu psychosomatischen Reaktionen, Zwangshandlungen, depressiven Verstimmungen und bewirkt nicht selten eine gefühlsmäßige Verarmung.
Sektenführer, Weltenlehrer, esoterische Christusse, neue Heilande, okkulte Großmeister und (angeblich) gottgesalbte Pastoren wecken mit ihren Endzeitszenarien Urängste und greifen nach der Seele ihrer Anhänger. Damit erhalten sie Macht über die Gläubigen, ziehen sie in die Abhängigkeit und treiben sie in unlösbare Widersprüche. Letztlich dreht sich das Sektenkarussell allein um die singulären Bedürfnisse der Kultgründer. Die Anhänger bilden den Rahmen und das Publikum zu Ehren der religiösen Führer.
Die apokalyptischen Propheten und Sektenführer heizen aus egozentrischen Motiven das Endzeit-Fieber an. Sie sehen sich in der Rolle der auserwählten Heilsverkünder, die Visionen von den göttlichen Instanzen erhalten oder einen direkten Draht zu Christus haben. Schließlich heißt prophezeien, durch Gott inspirierte Botschaften an die Menschheit zu verkünden. Sie wähnen sich als große Figur in der Heilsgeschichte der Menschheit und profitieren von der Scheu vieler Gläubiger und Sektenanhänger, die spekulativen Vorhersagen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Vermeintlich göttlich inspirierte Aussagen dürfen nicht hinterfragt werden, weil das einer Gotteslästerung gleichkäme.
Die Endzeitpropheten genießen ihre privilegierte Rolle und leben gut mit der Verehrung ihrer Gläubigen. Da Endzeitängste die Anhänger in besonderem Maß an die apokalyptischen Gruppen binden, erweisen sich solche Prophezeiungen als wirkungsvolles Missions- und Disziplinierungsinstrument. Wer die apokalyptischen Stürme überleben will, muss sich den Propheten anvertrauen, die angeblich im Bund mit den apokalyptischen Instanzen sind.
In Volltrance Botschaften empfangen
Seher nutzen verschiedene Techniken, um zu ihren Prophezeiungen zu gelangen. Die einen fallen in Volltrance, um die göttlichen Botschaften zu empfangen, andere nutzen die Hypnose, kasteien sich, meditieren oder fasten sich halb zu Tode. Dabei dringen sie in mentale Grenzbereiche vor, in denen unbewusste Kräfte wirksam werden. Oft verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, zwischen ungetrübter Wahrnehmung und Halluzinationen. Diese suggestiven Rituale führen manchmal zu Wahrnehmungsverschiebungen, Realitätsverlust und abstrusen Visionen. Darin drücken sich vor allem persönliche Ängste und Sehnsüchte der Seher aus. Sie sind dann restlos überzeugt, von Gott inspiriert zu sein und wahre Botschaften aus dem Jenseits empfangen zu haben. Kurz: Die angeblichen Propheten glauben tatsächlich, die Gabe der Vorhersage zu besitzen.
In dieser Situation nutzen die Seher weltliche Ereignisse, um ihre apokalyptischen Visionen zu untermauern und auch für die Gläubigen besser nachvollziehbar zu machen. Sie weisen auf Naturkatastrophen, wirtschaftliche und politische Krisen und astronomische Besonderheiten als Zeichen der bevorstehenden Apokalypse hin. Das oft einzige Rezept, das die apokalyptische Glaubensgemeinschaft den Verzweifelten anbieten: Sünden bekennen, beten, Buße tun, noch strenger meditieren und sich den religiösen Autoritäten noch stärker unterwerfen. Mit andern Worten: Die gleichen Rituale, die die Gläubigen in den seelischen Zwiespalt führten, werden als »Therapie« angeboten. Ein verhängnisvoller Teufelskreis, der zur Bewusstseinsspaltung führen kann.
Wer sich solchen »Reinigungsritualen« aussetzen muss, befürchtet, am Jüngsten Tag nicht zu den Geretteten zu gehören. Für Gläubige ein persönlicher Super-GAU, denn sie pendeln zwischen Hoffnung auf Erlösung und existentieller Verzweiflung. Da Drohbotschaften in der Regel nachhaltiger wirken denn
Frohbotschaften, sind Endzeitvorstellungen für die meisten eine psychische Belastung.
Endzeitpropheten und Visionäre, die Gläubigen einreden, wir lebten in der
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