Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Callihan
Vom Netzwerk:
kannte ihn so gut, dass er ihn aus der Erinnerung fehlerfrei hätte nachzeichnen können.
    Dieser Anhänger, dieses kleine Stückchen Gold, geformt zu einer Göttin, deren erhobene, geflügelte Arme einen Bogen bildeten, der an einen Phönix erinnerte. Wie häufig hatte er ihn gesehen? Zum Teufel … er hatte ihn zwischen die Zähne genommen, wenn Poppy ihn ritt, ihr geschmeidiger Körper sich auf ihm hob und senkte und die kecken Brüste hüpften, was ihn jedes Mal fast an die Schwelle des Wahnsinns trieb. Himmel, er meinte dann immer vor Lust den Verstand zu verlieren, wenn sie sich so liebten.
    Jetzt starrte er die Kette an, während sich seine Hand fester um den Gegenstand legte, den er umklammerte, seit er ihn seinem Retter vom Umhang gerissen hatte. Das Metall bohrte sich in seine Haut. Er hob den Blick zu seiner Frau und sah ihre Verwirrung und ihr Zögern. Langsam lockerte sich sein Griff, und der kleine Anhänger fiel neben ihm auf den Boden.
    Poppys Blick ging zu dem Anhänger, dann sah sie ganz schnell zu ihm auf. Denn es war der gleiche Anhänger. Wie gut erinnerte er sich noch an das erste Mal, als sie ihn den Anhänger hatte sehen lassen, während sie sich liebten und sie den Dichter Apuleius zitiert hatte:
Ich, Allmutter Natur, Beherrscherin der Elemente, erstes Kind der Zeit, ich Höchste alles Himmlischen, Königin der Toten, der Meere und auch der Unsterblichen …
    Winston hatte Poppy nie gefragt, warum sie den Anhänger trug. Er war immer davon ausgegangen, es wäre eine Grille, die von ihrer Liebe für Bücher und Mythen herrührte. Doch als er sie jetzt anschaute und sah, wie sie zitterte, konnte er den Blick nur abwenden. Er schloss die Augen, um sie nicht mehr sehen zu müssen, denn auch in ihr sah er jetzt das, was er unweigerlich in jedem sah: jemanden, der log.
    Es überraschte Ian nicht, als Archer zu ihm auf die Treppe trat, die zur Gartenterrasse hinaufführte. Er hatte sich dorthin begeben, um zu warten, denn er wollte Daisy und ihre Schwester nicht in ihrem gemeinsamen Moment des Kummers stören. Eigentlich wollte er auch gar nicht in Archer House sein. Er wollte Daisy wieder in seine Kutsche verfrachten und beenden, was sie angefangen hatten.
    Wäre er nicht gerade dabei, vor Verlangen nach Daisy zu vergehen, hätte er auch zugegeben, dass er sich Sorgen um den Inspektor machte. In Wirklichkeit mochte er Lane ganz gern. Oder zumindest respektierte er ihn.
    Ian stand da und zog an dem Stumpen, den er sich angezündet hatte, um sich etwas abzulenken.
    »Ich habe eine Theorie … ich denke, dass Rauch schlecht ist für die Gesundheit«, erklärte Archer.
    Ian lachte kurz auf. »Angesichts der Tatsache, dass ich ewig lebe, werde ich auf diese Sorge verzichten.«
    Der Mann neben ihm schmunzelte. »Dem Gedanken lässt sich wirklich nichts entgegensetzen.«
    »Davon abgesehen bist du derjenige, der verheerend aussieht.«
    Sorge flackerte in Archers Blick, und Ians Nackenhaare stellten sich auf, doch dann verschwand der Ausdruck wieder aus seinen Augen, und Archers Mund verzog sich zum Zerrbild eines Lächelns. »Es ist eine lange Nacht gewesen.«
    »Was ist nun mit Lane?« Ian hätte ihm vielleicht assistieren können, doch als er und Daisy eingetroffen waren, hatte Archer bereits alles im Griff gehabt. Davon abgesehen bezweifelte Ian ohnehin stark, dass sein Wolf mit dem überwältigenden Geruch nach Blut und wahnsinnigem Werwolf klargekommen wäre. Wahrscheinlich hätte er Ian sofort in eine knurrende Bestie verwandelt.
    Archer stieß einen müden Seufzer aus und rieb sich den Nacken. »Schwere Verletzungen an linker Gesichtshälfte, linkem Arm und Vorderseite des Oberkörpers. Vier besonders üble Schnitte quer übers Gesicht, von denen einer beinahe den Masseter durchtrennt hätte.«
    Der Masseter war der Muskel, der es einem Menschen ermöglichte zu kauen. »Gütiger Himmel.«
    »Ich habe alles genäht.« Tiefe Furchen um Archers Mund zeigten, wie erschöpft er war. »Gott sei Dank war er dabei bewusstlos, sonst hätte ich das nicht richtig hinbekommen.« Archer nahm die Zigarre, die Ian ihm anbot, mit kaum mehr als einem leichten Zucken um die Lippen entgegen.
    Als sie brannte und blauer Rauch aromatischen Duft in der Nacht verteilte, fuhr er fort. »Ich hab den armen Kerl beim Nähen wohl mehr als hundertmal gestochen. Wenn er den Schock und die Infektion, zu der es möglicherweise kommen wird, überlebt, wird er voller Narben sein.«
    Beide ließen einen Augenblick lang die Köpfe

Weitere Kostenlose Bücher