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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Callihan
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lang konnte er nichts sehen, denn der rote Nebel vor seinen Augen war undurchdringlich. Unter Mühen gelang es ihm, seine Lunge wieder mit Luft zu füllen. »Fang keinen Krieg mit mir an, Lena.« Wegen der hervorgetretenen Reißzähne hatte seine Zunge kaum noch Platz im Mund. »Im Gedenken an das, was wir einst geteilt haben, tu es nicht.«
    Kurz blitzte so etwas wie Trauer in ihren Augen auf, verschwand aber sofort hinter einer Mauer kalter Entschlossenheit. »Dann tu, was richtig ist, Ian Ranulf. Übernimm die Führung über deinen Clan.«
    Mit einem heftigen Fluch fegte er das Beistelltischchen zur Seite, sodass die Becher und der Wodka ins Feuer flogen. Die Flammen schlugen hoch, während er brüllte. »Zur Hölle, Frau! Verstehst du denn nicht? Ich kann nicht zu diesem Leben zurückkehren. Ich habe alles verloren, was mir lieb und teuer war, als ich damals dieser Mann war. Ich werde es nicht wieder tun.«
    Lena trat einen Schritt näher und bedrängte ihn mit ihrem Geruch nach Kupfer und der Kälte, die von ihrem Körper ausging. »Wenn du schon alles verloren hast, gibt es doch nichts mehr, was du verlieren kannst, oder?«
    Er sah sie ärgerlich an, doch Lena lachte so kehlig, dass sich seine Hände zu Fäusten ballten.
    »Wenn wir nicht handeln, werden noch mehr sterben. Wir tun den Unschuldigen nichts zuleide, Lena.«
    »Du tust ihnen nichts zuleide. Ich bin da nicht so heikel.«
    Tief aus seinem Innern stieg ein Knurren auf, und seine Krallen brannten darauf hervorzubrechen. »Such dir jemand anders, der den Bauern für dich spielt. Das Einzige, was du erreichst, wenn du mich verfolgst, ist, gebissen zu werden.«
    Sie warf ihm einen ebenso wütenden wie eisigen Blick zu, und ihre Zähne blitzten im Feuerschein auf. »Ich mag diese Bisse, Ian. Das weißt du doch.«
    Die Pattsituation, in der sie sich befanden, wurde durch Edmund beendet, der gehetzt wirkte und dem eine übergroße Krähe folgte. Die Krähe flog einmal laut krächzend im Kreis, ehe sie sich auf Ians Schulter niederließ.
    Das Krächzen ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren, denn er wusste, was es bedeutete. Er rannte bereits los, als Lenas Lachen trotz des inneren Aufruhrs, in dem er sich befand, an sein Ohr drang. »Wie ich sehe, braucht dich deine Menschenfrau bereits. Vergiss sie nicht, Ian, während du über das nachdenkst, was ich dir gesagt habe.«

9
    Und Daisy hatte gedacht, Billy würde stinken. Die Straßen rochen noch schlimmer. Sie verkroch sich tiefer in dem Schal, den sie sich um den Hals gewickelt hatte und atmete ein. Leider war noch nicht einmal ihr Parfüm in der Lage, den Geruch ganz zu überdecken. Faulendes Wasser, faulende Lebensmittel, faulende Körper. Eine bunte Mischung aus verschiedenen Phasen der Fäulnis, als würde die Stadt von innen heraus verwesen. Vielleicht tat sie das ja auch. »Old Nichol« nannte Billy diese Gegend. Die Leute, die hier lebten, wirkten verloren, der Glanz in ihren Augen war durch ein zu schweres Leben erloschen … Hunger und Schmerz hatten das Ihre getan.
    Langsam doch zielstrebig gingen sie durch die Straßen. Billy hatte sie gewarnt, keinem in die Augen zu sehen, sondern sich so zu geben, als würde ihr die ganze Welt gehören. Das schaffte sie. Doch innerlich schlug ihr das Herz bis zum Hals. Ihr Begleiter hatte ihr seinen muskulösen Arm um die Schultern gelegt, und seine große Hand hing verwirrend nah über ihrem Busen. Sie hatten die Absicht, wie ein Pärchen zu wirken, das sich amüsieren wollte. Gelegentlich beugte er sich über sie und raunte ihr etwas Freches ins Ohr, woraufhin sie ihrer Rolle entsprechend lachte.
    Glücklicherweise hatte die Wärme den größten Teil des Nebels dahinschmelzen lassen, sodass nur eine trübe Schicht ungefähr einen Fuß hoch über dem Boden waberte. Die Leute schienen keine Füße zu haben und wirkten wie Phantome, die durch den Äther schwebten. Sie gingen durch eine schmale Straße, traurige, kleine Häuser waren gegen baufällige Gebäude gesackt, die einst etwas Herrschaftliches gehabt hatten. An ihnen lehnten jetzt die Männer und Frauen, die in diesen Bruchbuden lebten.
    Unter gesenkten Lidern hervor musterte Daisy diese Leute im Vorübergehen. Sie sah das löchrige Lächeln der stolzierenden Männer, die der Hahn im Korb sein wollten, und die gebeugten, schmalen Schultern der Frauen, die durch die Straßen eilten. Ein paar schamlose Weiber lungerten an den Straßenecken und ließen ihren Busen fast wie die Montagswäsche

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