Im Bann des Mondes
mit Lena gesprochen hatte. Ein Umstand, der Lena ein recht ausgeprägtes Gefühl der Überlegenheit gab.
Ein Gefühl, das sie jetzt über die Maßen genoss, als sie ihn spöttisch angrinste. »Und ich dachte, es wäre The Ranulfs Aufgabe, umgewandelte Lykaner zu erledigen. Die Frage der heutigen Nacht ist also, warum kommt Ian Ranulf hierher und sucht nach dem Geächteten, während The Ranulf auf seinem Thron sitzt und nichts tut?«
Es knallte mehrmals leise, und Ian merkte, dass seine Krallen sich in das Leder gebohrt hatten. Lenas Augen schimmerten triumphierend. »Ich habe den Verdacht, dass du die Antwort genauso gut kennst wie ich.«
Ians Magen zog sich zusammen. Er schluckte krampfhaft. Wie Säure strömte der Wodka durch seine Adern. Verdammt, aber sie lag richtig. Conall hatte nicht Jagd auf den Werwolf gemacht. Damit handelte er nicht nur der Ehre des Clans zuwider, sondern sein Verhalten stellte auch einen eindeutigen Bruch der Absprachen mit der Gesellschaft dar.
Sie legte den Kopf auf die Seite, und wieder schlugen die Perlen gegeneinander. »Du verhältst dich wie der Strauß … steckst den Kopf in den Sand, während die Welt um dich herum untergeht. Weißt du überhaupt, wie viele Lykaner in den letzten Monaten zu mir gekommen sind und um Asyl ersucht haben?«
Er biss die Zähne zusammen. »Ich gehe davon aus, dass du es mir erzählen wirst.«
»Sei nicht so mürrisch, Ian Ranulf. Sie kommen her und erzählen mir Geschichten … über Conall, der gewissenlose Menschen benutzt, um sein Imperium zu finanzieren.«
Trotz seiner Verärgerung schoss Ians Blick zu ihr.
Sie goss sich wieder ein und leerte den Becher mit einer einzigen anmutigen Bewegung. »Sie kommen, weil The Ranulf glaubt, sie seien nur dazu da, um ihm zu dienen.«
»Das tun sie.« Aber er wusste, was sie meinte, und in ihm zog sich alles zusammen. Kein Lykaner würde den Hof eines echten Anführers verlassen.
Zur Hölle!
Er konnte nicht zu diesem Leben zurückkehren. Er wollte vergessen. Oh, und die kleine Hexe wusste das ganz genau. Trotzdem würde sie ihm keine Luft zum Atmen geben.
»Ich bin kein Kindermädchen«, sagte sie. »Ich schicke sie nach Amerika und Kanada, wenn ich kann, aber ich habe genug davon.«
»Schick sie zu mir«, erklärte er. »Ich werde sie unterbringen.«
»Sehr schön, dann sind sie jetzt dein Problem. Und du bist ein Heuchler«, fügte sie hinzu. »Schlimmer noch … du hast deinen Wolf ignoriert, verdrängst schon so lange, wer du bist, sodass deine Kraft verkümmert. Kein Wunder, dass du keiner Frau mehr beiliegen kannst.«
Mit einem Ruck richtete sich Ian auf und schlug die Hände auf seine Oberschenkel. »Es reicht. Wirst du mir nun helfen oder nicht?«
Sie zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. »Nein.«
»Gut.« Er stand auf, um zu gehen, doch sie hielt ihn zurück.
»Du bist ein Leitwolf, und das weißt du auch. Es ist an der Zeit, dass du dir nimmst, was dir gehört.«
Ian starrte sie an. »Conall ist der Anführer. Ich werde ihn nicht herausfordern, falls es das ist, worauf du aus bist.«
Seide raschelte, als sie sich schwungvoll erhob. Ihr Kinn reichte kaum bis zu seinem Schlüsselbein, aber sie strahlte so viel Macht aus, dass sie es mit Leichtigkeit mit ihm aufnehmen und ihn vielleicht sogar vernichten konnte, sollte es in einer Nacht mit zunehmendem Mond zu einer Konfrontation kommen. Verdammt, sie hatte recht. Er hatte seinen Wolf zu lange ignoriert, und dadurch war er schwach geworden.
»Du kannst ihn ja noch nicht einmal The Ranulf nennen«, fuhr sie ihn an. »Er will unsere Welt den Menschen preisgeben, und trotzdem läufst mit eingekniffenem Schwanz vor der Wahrheit davon.«
Ian wandte sich ab. Himmel, er hasste Politik. Er wollte kein Lykaner sein und auch kein Wolf. Er wollte nur ein Mensch sein und ein ganz normales Leben führen. »Conall – The Ranulf – kennt seine Pflicht. Er mag vielleicht nachlässig sein, aber er würde uns nie preisgeben.«
Lenas Blick verwandelte sich in gehärteten Stahl. »Blödsinn, wie die von eurer Art sagen würden. Wenn du das wirklich glauben würdest, stündest du jetzt nicht mit deinem Hut in der Hand vor mir. Denn dann hätte The Ranulf längst etwas gegen die Bedrohung getan.«
»Dann hilf mir dabei, den Werwolf zu finden«, sagte er. »Sag mir, was du weißt, Lena.«
»Ich habe dir bereits meine Antwort gegeben. Ich werde Mutter nicht mit einem Problem belästigen, dass du selbst mit Leichtigkeit lösen kannst.«
Einen Moment
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