Im Bann des Mondes
Nachmittag die Wache übernommen.«
Sie hätte es eigentlich wissen müssen. »Er ist auch ein Lykaner, oder?«
Northrup schüttelte den Kopf, während er weiter umblätterte. »Nein. Aber ehe Sie jetzt weiterfragen, sage ich Ihnen gleich, dass es mir nicht freisteht zu erzählen, was er ist. Sie müssen nur wissen, dass er für Ihre Sicherheit sorgen kann, wenn ich nicht dazu in der Lage bin.« Seine Augen funkelten, als er sie ansah. »Und Sie werden ihn nie sehen, wenn er Ihnen folgt, also machen Sie sich gar nicht erst die Mühe, nach ihm zu suchen.«
Daisy brummelte etwas vor sich hin und beugte sich über seinen Arm, um mitzulesen, während er mit dem Finger die Einträge entlangfuhr.
»Ein paar Verkäufe von Männerdüften, und einmal Franzbranntwein«, sagte er. »Dann … Hier. Ein Eintrag zwei Tage vor dem ersten Mord.«
Daisy rückte näher, und Northrups warmer Atem kräuselte die Löckchen, die ihre Schläfe umspielten. Sie musste mit sich ringen, um den Drang zu bezwingen, den Kopf zu heben und sich an Northrup zu schmiegen. »M. Randal, Nummer 2 Glower Street. Eine Flasche Daisy.« Ihr wurde ganz heiß. »Der verdammte Mistkerl hat dem Parfüm sogar meinen Namen gegeben.«
Northrup konnte das Lachen, das in seiner Stimme mitschwang, nicht ganz unterdrücken. »Er ist ziemlich eingängig. Haben Sie den Duft so genannt?«
»Ich nannte ihn mein«, fuhr sie ihn an und wusste, dass sie trotzig klang. »Doch ja, ich hatte meinen Namen über die Rezeptur gesetzt.« Aus einer dummen Laune heraus, die sie jetzt ärgerte. Sie verdrängte das Gefühl. »Aber Daisy sollte nie in den Verkauf gehen. Es war mein ganz persönlicher Duft.«
In den Winkeln seiner funkelnden Augen bildeten sich Fältchen. »Eine Nase«, sagte er leise. »Sie haben einmal erwähnt, dass Sie einen Parfümlieferanten hätten, aber ich habe damals nicht darauf geachtet. Dann kreieren Sie also Parfüms?«
Daisys Blick blieb weiter auf das Buch gerichtet, denn sie wollte die Unterhaltung beenden, aber er ließ nicht locker, und so war sie schließlich gezwungen zu antworten. »Für Florin.«
Northrup riss die Augen auf, doch sie beachtete ihn nicht weiter. »Craigmore wollte mich mittellos zurücklassen. Es ging also darum, entweder Pläne zu schmieden oder zu hungern. Ich war nicht bereit, den Mann das letzte Wort haben zu lassen.«
Seine raue Stimme ließ warme Luft gegen ihre Wange strömen. »Gut gemacht, Mädchen.«
Ihre Wangen waren ganz heiß, als sie mit dem Nagel auf den Eintrag im Buch tippte. »M. Randal. Denken Sie, das ist ein Mann oder eine Frau?«
Northrup regte sich. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau wegen eines Parfüms zu so einer Adresse geht. Bei einem Gentleman auch nicht. Aber das ist trotzdem wahrscheinlicher, als dass es eine Frau tun würde.«
»Genau«, sagte Daisy. »Nun, wenn es also ein Mann war, der das Parfüm gekauft hat …«
»Dann war es vielleicht als Geschenk gedacht.« Northrup drehte den Kopf, um sie anzuschauen. Der warme Blick seiner Augen und der feste Mund ließen alle vernünftigen Gedanken bei ihr auseinanderstieben.
»Das klingt logisch.« Sie räusperte sich und löste sich von Northrup und seiner nervenaufreibenden Präsenz.
»Northrup, Sie sagten, der Werwolf hätte den Mann umgebracht. Aber was ist mit der Frau? Was meinen Sie wohl, wie sie gestorben ist?« Vor ihrem inneren Augen blitzten plötzlich wieder Knochen, Blut und Fleisch auf, und sie schluckte.
»Es waren keine aufgerissenen Wunden oder Bisse zu sehen. Ich denke …« Northrup hielt inne, biss sich auf die Unterlippe und schloss einen Moment lang die Augen, als würde er gegen die auf ihn einstürmende Erinnerung an die Leiche kämpfen. Dann holte er tief Luft. »Sie ist an einer Krankheit gestorben. Sie war voller Geschwüre und Knoten. Alles Hinweise auf das Tertiärstadium der Syphilis.« Ein grimmiger Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. »Ihr haftete der gleiche kranke Geruch an wie dem Werwolf.«
»Eine Krankheit der Liebe.« Es erfüllte Daisy mit unendlicher Trauer, was aus der armen Frau geworden war. Und dem Mann. War er ihr Liebhaber gewesen? Was war mit dem Werwolf? »Wer dieses Parfüm auch gekauft haben mag, muss gewarnt werden.«
Er klappte das Buch zu und reichte ihr seinen Arm. »Die Glower Street ist nicht weit entfernt von hier. Sollen wir?«
10
Es war Freitagabend, und somit erwies es sich als schwierig, eine Kutsche aufzutreiben. Daisy hatte ihre eigene Kutsche längst wieder
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