Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
in Nebel und Dunkelheit verschwand. Und sie wusste, dass sie ihn festhalten musste und nicht loslassen durfte, wenn Sonja und Nachtfrost je wieder zurückkommen sollten.
Sie schaute zu Ben hoch, aber er sah nur wütend aus, während er mit dem einen Polizisten auf die Rückkehr des anderen wartete.
»Weg?«, fragte der Polizist scharf. »Was soll das heißen, sie sind weg?«
Melanie antwortete nicht.
An der Stalltür tauchte nun der zweite Beamte auf. Seine Mütze saß schief, Jacke und Hose waren voller Schlammspritzer, und er ging langsam, als traute er dem Boden unter seinen Füßen nicht.
»Ralf!« Sein Kollege musterte ihn irritiert. »Was ist los? Wo ist das Mädchen?«
Der Polizist hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ich – habe keine Ahnung. Da war ein …« Er suchte nach Worten, fand keine und zuckte endlich wieder hilflos die Achseln. »Sie ist weg.«
»Wie, weg? Hat sie sich versteckt?«
»Nein. Sie ist – irgendwie – weggeritten.«
»Irgendwie weggeritten?« Der Polizist schüttelte den Kopf. »Was soll das denn heißen?«
Sein Kollege antwortete nicht.
»Kann ich jemanden anrufen?«, fragte Ben. »Jemanden, der mich hier vertritt?«
»Das fällt Ihnen aber früh ein … also schön.«
Melanie gab Ben ihr Handy. Er tippte ein paar Nummern ein und hielt es ans Ohr. Nach ein paar Sekunden sagte er: »Peter? Hören Sie, es gibt hier einen Notfall im Stall. Was? N ein, die Pferde sind alle in Ordnung. Ich muss plötzlich weg und komme wohl erst am Montag wieder. Können Sie hier noch einmal einspringen? Ja? Sehr gut – danke, das vergesse ich Ihnen nicht. Melanie wird Ihnen alles erklären. Ja. Nur bis Montag, hoffe ich. In Ordnung. Bis dann.«
Er gab Melanie das Handy zurück. »Danke.« Er machte mit dem Kopf eine kaum merkliche Bewegung zum Stall hin, und sie nickte kaum merklich zurück.
»Los jetzt«, sagte der Polizist. Er schob Ben aus dem Stall und zum Auto. »Steigen Sie ein.«
Ben stieg ein. Die Türen schlugen zu, der Motor heulte kurz auf, und das Polizeiauto rollte vom Hof. Melanie blieb allein zurück.
So viel zu unseren schönen Plänen, dachte sie und hätte am liebsten losgeschrien oder geheult. Stattdessen rannte sie zum Hengststall, zog die schwere Tür auf und trat ins dämmerige Dunkel des Stalles. Die Pferde schnaubten neugierig und schoben ihre Köpfe aus den Boxen. Melanie streichelte Santanas Nasenrücken und kämpfte mit den Tränen. Der Tag hatte so wunderbar angefangen!
Aber sie spürte den silbernen Faden, diese zauberische Verbindung zwischen den Welten. Sie hatte ihre Aufgabe, wenn sie auch noch nicht genau wusste, wie sie sie erfüllen sollte. Eins aber wusste sie genau: Ben wollte, dass sie dieses Buch in Sicherheit brachte. Und es gab nur einen einzigen Menschen auf der Welt, bei dem es sicher war und den Melanie um Rat fragen konnte.
Sie hob das Buch hoch – es war ganz schön schwer –, verabschiedete sich von Santana und den anderen Pferden und verließ den Stall. Kiribu, der an seiner Hütte angebunden war, winselte, als er sie sah. Am liebsten hätte sie ihn mitgenommen … ihn und alle Pferde des Gutshofes.
S ie wickelte das Buch in einen alten Getreidesack, legte ihn neben die Stalltür und marschierte zur Weide.
Nordstern, Alina, Edeldame, Farina und Fabiola folgten ihr bereitwillig, als sie das Gatter öffnete. Ostara, genannt Ossi, wollte lieber weiterfressen, aber als die anderen Stuten zu den Ställen trotteten, wollte sie doch nicht allein bleiben und trabte hinter ihnen her.
Melanie brachte sie alle in ihre Boxen, verteilte Heu und kratzte ihnen den gröbsten Dreck vom Fell, während sie fraßen. Eigentlich liebte sie diese Arbeit, aber jetzt hörte sie nur, wie beunruhigend still es auf dem Hof war. Wenn doch Ben und Sonja wieder da wären!
Als sie gerade fertig war, fing Kiribu an zu bellen. Ein Auto kam auf den Hof. Melanie lief hinaus. Peter Karz stieg aus und schaute sich irritiert um. »Hallo, Melanie. Also, was ist hier los? Was ist mit Ben?«
Melanie erzählte es ihm. Karz’ Gesicht verfinsterte sich, während er zuhörte. »Trischer, sagst du? Ja, ich könnte mir vorstellen, dass der dahintersteckt. Mach dir keine Sorgen – falls er auftaucht, kümmere ich mich um ihn. Wo ist ›Nero‹?«
Das war die Frage, vor der sie sich gefürchtet hatte. Karz wusste nichts von Nachtfrost, er kannte ihn nur als ›Nero‹. »Er – er ist nicht da. Ich weiß nicht, wo er ist. Da müssen Sie Ben fragen!«
»So?«
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