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Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)

Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)

Titel: Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Martin
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sind nicht dazu geschaffen, wie Fliegen an Wänden herunterzuklettern.«
    »Daheim auf den Ländereien meines Vaters klettern alle so an den Wänden herunter«, erklärte Soterius ihm.
    »Alle?«, hänselte ihn Tris.
    »Na ja, in Ordnung, hauptsächlich eigentlich die Bergbewohner, denn die Felsen sind so steil, dass sie anders nirgendwohin kämen. Aber wir haben viele Bergbewohner und viele Felsen, also machen es doch fast alle!«, verteidigte sich Soterius. »Hilf mir dabei, es festzumachen, bevor wir erwischt werden! Wenn ich schon eine weitere Standpauke von Zachar kriege, dann will ich mir sie auch verdienen!«
    »Du hast ein ziemlich sonderbares Steckenpferd«, murmelte Carroway, während er das Seil festzog.
    »Da das von einem erwachsenen Mann kommt, der sich seinen Lebensunterhalt damit verdient, Kinder mit Rauchgeistern zu erschrecken, nehme ich es als Kompliment«, gab Soterius zurück. Jetzt, da sein eigener Gurt gesichert war, wandte er seine Aufmerksamkeit Tris zu, überprüfte noch einmal das robuste Leder und testete die Schnallen. Als beide Männer mit ihrem Kletterzeug zufrieden waren, sicherten sie die Seile an Eisenringen, die tief in die Steinwand in der Nähe des Kamins eingelassen waren. Soterius öffnete das Fenster und beugte sich hinaus, um sich umzusehen. Er setzte sich auf den breiten Stein des Fenstersimses und schwang seine Beine über die Schlossmauer, dann sah er hinunter auf die Steinplatten vier Stockwerke tiefer. Dies war der höchste Teil Shekerishets, dessen unterste Geschosse in den felsigen Abhang gehauen waren, an den das Schloss sich schmiegte.
    Die ältesten Teile Shekerishets waren diesem Fels vor fast fünfhundert Jahren abspenstig gemacht worden. Errichtet aus dem gleichen grauen Granit, aus dem auch die Felsen bestanden, war das alte Schloss eine schmucklose Festung, eckig und bedrohlich, mit Zinnen und Schießscharten für Bogenschützen. Über die Generationen hinweg hatten Margolans Könige an die ursprüngliche Burg angebaut, hatten sie um ganze Flügel und neue Türme ergänzt, sodass Shekerishet jetzt am Fuße der schroffen Bergwand geradezu wucherte, eine brütende Präsenz über der Stadt und den Bauernhöfen darunter.
    Grinsend tätschelte Soterius den Sims neben sich – die Aufforderung an Tris, sich zu ihm zu gesellen. Tris musste gegen ein kurzes Schwindelgefühl ankämpfen, als er in den Hof hinunterblickte.
    »Na schön, los geht’s!« Soterius stieß sich ab und rotierte einen Moment lang am Seil, bis er sich mit dem Rücken zum Hof und den Füßen gegen die Steinmauer stabilisierte.
    »Wir hätten dir eine Zielscheibe auf den Rücken malen sollen, um es den Bogenschützen leichter zu machen«, frotzelte Carroway.
    »Sehr komisch«, murmelte Soterius. »Sieh zu, dass du deine Fahne griffbereit hast, Tris, falls jemand auf dumme Gedanken kommt!«
    Tris legte die Hand auf den Wimpel des zweiten Sohns des Königs in seiner Tasche. Eigentlich war das Stück Stoff dazu gedacht, ihn in der Schlacht kenntlich zu machen, aber heute Nacht wollte er es entrollen, falls eine Wache sie entdeckte: Möglicherweise würde der Bogenschütze dann mit dem Schießen warten und ihn noch rechtzeitig identifizieren.
    »In Ordnung, Tris. Du bist dran!«
    Tris schluckte schwer und ließ sich über den Sims hinab. »Mir ist gerade wieder eingefallen, wie sehr ich Höhen hasse.« Er sog scharf die Luft ein, als er sich einen Augenblick lang in der kalten Herbstluft um die eigene Achse drehte, und kämpfte gegen den Drang an, die Augen zu schließen. Da er wusste, dass die Blicke seiner Freunde auf ihm ruhten, signalisierte Tris mit einem Nicken seine Bereitschaft.
    Soterius arbeitete sich vorsichtig an den glatten Steinen der Schlossmauer herunter. Tris folgte ihm und versuchte, sich nicht durch ständiges Ziehen am Seil zu beruhigen. Zwar kletterten er und Soterius bei gutem Wetter häufig in den Felsen rings um Shekerishet, doch seit dem Sommer war Tris nicht mehr draußen gewesen; diesen Mangel an Übung spürte er jetzt schmerzhaft in seinen Muskeln.
    Es war weniger warm, als er erwartet hatte, und er fühlte die Kälte deutlich in seinem Gesicht. Tris warf einen Blick auf Soterius, doch der Gardist grinste bloß, während der Wind ihm die dunklen Haare in die Augen peitschte. Sollte der König just diesen Moment wählen, um an einem der Fenster aufzutauchen, hätten sie alle etwas zu erklären, aber das war das Gute an Spuken: Fast alles konnte im Namen der ausgelassenen

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