Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
durch die Fensteröffnung, vor Schrecken wie vor Anstrengung gleichermaßen nach Atem ringend.
»Ihr seht ja aus, als ob ihr die Rächerin selbst erblickt hättet!«, bemerkte Carroway und half Soterius auf die Beine.
»Der König!«, stammelte Soterius, der vor Furcht und Kälte wie erstarrt war. »Sie haben den König umgebracht!«
»Das ist nicht lustig«, sagte Carroway und warf noch einmal einen Blick aus dem Fenster, um sich zu vergewissern, dass sie der Aufmerksamkeit der Wachen entgangen waren. Seine Stimme verlor sich, als er Tris anschaute, und er erbleichte.
»Es ist wahr«, keuchte Tris, der auf dem Boden kniend um Fassung rang. Sein Herz pochte so heftig, dass er kaum reden konnte. »Ich habe gesehen, wie Jared –«
»Ihr könnt nichts besonders gut gesehen haben«, gab Carroway mit einem unsicheren Blick auf Soterius zu bedenken. »Ihr wart nicht sehr lange unten.«
Soterius fing an, sich seines Kletterzeugs zu entledigen, so schnell, wie seine kalten Finger es zuließen. »Es war der König, und es war Jared«, wiederholte er, als ob er mit einem begriffsstutzigen Kind spräche. »Und Arontala. Da war ein blaues Licht, das den König an die Wand nagelte. Dann kam Jared näher und, du liebe Göttin, er stach auf König Bricen ein, wieder und wieder.« Er schloss die Augen, als ob er damit der Erinnerung entkommen könnte.
Tris schob sich an ihm vorbei auf die Tür zu, den Schritten der Dienerschaft entgegen. »Ich muss Mutter und Kait warnen!«
»Tris!«, rief Soterius und packte ihn beim Arm. »Wenn Jared den König umgebracht hat, dann ist er auch hinter dir her! Wir müssen dich hier rausschaffen«, erklärte Soterius mit soldatischer Ruhe. »Mit dem Tod Bricens steht die Krone auf dem Spiel. Jared wird nicht dulden, dass ihm jemand im Weg steht. Wir müssen dich in Sicherheit bringen!«
»Nicht ohne Kait und Mutter!«, brauste Tris auf, dessen Erschütterung der Wut gewichen war. Er schüttelte die Hand seines Freundes ab und riss die Tür zur Hintertreppe auf.
»Na gut, aber dann kommen wir auch mit«, entschied Soterius und warf Carroway das Seil zu. »Hier. Trag das. Ich habe ein Schwert und du nicht.« Er verriegelte die Vordertür zu ihrem Zimmer und zog seine Waffe. »Wenigstens werde ich sie eine Weile aufhalten können, wenn sie uns suchen kommen.«
Er sah zu Carroway, doch der Barde hatte bereits einen kleinen Dolch aus den Falten seines Gewandes gezogen. »Hast du etwa gedacht, der wäre nur für die Geschichten?«, fragte Carroway. »Einige deiner Armeekumpels machen sich ab und zu einen Spaß daraus, Barden aufzumischen.«
Soterius schlüpfte an Tris vorbei und ging voran, die Stufen hinunter. Vorsichtig versuchte er die hintere Tür am Fuß der Treppe zu öffnen – sie war nicht verschlossen. In dem Schlafgemach sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Neben der Vordertür lag, zusammengekrümmt in ihrem blutbefleckten Festgewand, Königin Sarae.
»Mutter!«, schrie Tris und spürte die Panik in seiner Stimme aufsteigen, während er sich an Soterius vorbei ins Zimmer drängte.
»Du liebe Lichte Göttin!«, keuchte Carroway. »Jared hat einen Staatsstreich durchgeführt!« Soterius war schon an der Tür zum Gang, die aufgebrochen und nutzlos in den Angeln hing.
Bitte, bitte nicht! , flehte Tris die Göttin an, als er Sarae erreichte. Ihr Körper fühlte sich noch warm an und zeigte keine Anzeichen von Starre, als er sie herumrollte, um in ihr Gesicht zu sehen. Aus ihrer Brust ragte der Dolch, der ihrem Leben ein Ende gesetzt hatte; ihr Kopf hing schlaff von seinem Arm herab. Sein Hals war wie zugeschnürt, und Wasser stieg ihm in die Augen, als er vergeblich nach einem Herzschlag horchte. Sie war tot.
Ein Schluchzen entrang sich seiner Kehle, als er Sarae in seinen Armen wiegte; er kniff die Augen zusammen, denn ungebetene Tränen strömten über sein Gesicht. Nach Atem ringend wischte sich Tris mit dem Ärmel über die Augen und ließ seine Blicke noch einmal prüfend durch den Raum wandern. Er ließ Saraes Leichnam sanft zu Boden gleiten, fuhr mit einer Hand über die starren Augen, um sie zu schließen, und sandte ein geflüstertes Gebet zur Lady.
Ein Stöhnen ließ ihn auffahren; Soterius wirbelte mit gezogenem Schwert herum. Fast nicht zu sehen im heillosen Durcheinander eines umgestürzten Bettes lag Kait. Tris und Carroway liefen zu ihr hin, wobei sie Trümmer und die Leiche eines getöteten Gardisten zur Seite schieben mussten, und befreiten sie aus dem Gewirr
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