Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
Tagesreisen von dort entfernt, wo der Nu die Grenze zwischen Dhasson und Fahnlehen bildete.
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
T ris und die Gruppe ritten schweigend die gewundene Straße nach Westmark entlang. Ein kalter Regen fiel. Augenblicklich befand Tris sich an der Spitze, und er merkte, dass er nervös und schreckhaft war. Zweimal schon hatte Vahanian die anderen an sich vorbeigelassen und war mit dem Schwert in der Hand zurückgeblieben, auf etwas wartend, das er spürte, das aber keine feste Gestalt annahm. Wenigstens, sagte sich Tris launisch, war er selbst nicht der Einzige mit bösen Vorahnungen.
Westmark befand sich in Grenznähe dreier Königreiche: Fahnlehen, Margolan und Dhasson. Eingedenk Gabriels Warnung wegen der verzauberten Bestien hatten die Reisenden eine mehr nördliche Route gewählt, die sie weiter von der Grenze zu Dhasson wegführte. Leider war Gabriels Warnung nicht zu entnehmen gewesen, wie weit Arontalas Grenzverzauberung sich erstreckte. Obwohl es noch hell war, ritt jeder von ihnen mit einer brennenden Fackel. An jedem Sattel hing ein Eimer mit Pech. Carroway hatte zwei Köcher mit Pfeilen umhängen, deren Spitzen mit in Pech getränktem Sackleinen überzogen waren. Carina hatte das Ende ihres Stabes genauso behandelt, und Tris zählte auf seine Fähigkeit, Feuer zu beschwören. Berry, die dicht neben Carina ritt, hatte ihre eigene Waffe: Sie hatte mit Carroway am Rezept für die Kügelchen herumgebastelt, die der Barde sich für die Untermalung seiner Geschichten mit Rauch und Farbe ausgedacht hatte. Eine geringfügige Abänderung des Verhältnisses der Zutaten ergab kleine Bälle, die beim Auftreffen in Flammen aufgingen. Bewaffnet mit einer Steinschleuder, erwies sich Berry als erstaunlich zielsicher.
Vahanian, der Einzige, der echte Erfahrung mit den Bestien hatte, war eindeutig der Nervöseste von allen. Er ritt mit einer primitiven Lanze, die er sich aus einer kräftigen Stange geschnitzt hatte. Sie war länger als Carinas Stab; das angespitzte Ende hatte auch er mit pechgetränkten Lumpen umwickelt. Je weiter sie ritten, desto finsterer wurde Vahanians Stimmung und umso gereizter seine Laune.
Wenn das so weitergeht, werden wir alle nervliche Wracks sein, bis wir in Westmark ankommen , dachte Tris. Sie waren übereingekommen, so schnell zu reiten, wie die Pferde es zuließen, und machten nur Halt, wenn die Tiere Wasser, Futter oder eine Rast brauchten.
»Hörst du das?«, fragte Vahanian.
Tris runzelte die Stirn. »Höre ich was?«
»Eben«, sagte der Söldner und legte die Lanze vor sich. »Es ist zu still.« Schon längere Zeit waren sie auf Straßen, auf denen eigentlich Händler oder Bauern zu erwarten gewesen wären, keiner Menschenseele mehr begegnet. »Das gefällt mir nicht.«
Carroway brachte sein Pferd dichter heran. »Findet ihr nicht auch, dass es viel zu still hier draußen ist?«
Tris lächelte angespannt. »Es scheint, als ob wir alle dasselbe denken.« Sein Pferd wieherte und erinnerte ihn daran, dass ein Halt und etwas Wasser überfällig waren. Er seufzte und tätschelte dem Tier den Hals. »Die Pferde brauchen Ruhe«, sagte er und blickte besorgt um sich. »Das Problem ist nur, wo?«
»Da drüben!« Carroway zeigte auf ein Dorf auf dem Kamm des nächsten Hügels. »Ich rieche Essensfeuer. Vielleicht können wir eine warme Mahlzeit für uns und etwas Futter für die Pferde kaufen.«
»Haltet die Augen auf!«, ermahnte Vahanian sie.
Vorsichtig näherten sie sich dem Dorf. Schon bald wurde klar, dass Essensfeuer nicht der Grund für den Geruch nach Rauch waren. Das Dorf lag in schwelenden Trümmern; von den Gebäuden standen nur noch verkohlte Gerippe.
»Seht da!«, flüsterte Carroway. Neben einer ausgebrannten Schenke lag ein zusammengekrümmter Körper. Tris lenkte sein Pferd näher heran und stieg dann mit gezogenem Schwert ab. Er rollte die Leiche mit dem Fuß herum. Was den Mann auch getötet hatte – es waren nicht die Flammen gewesen. Tiefe Risse zogen sich über das Gesicht des Mannes und seine Kehle war herausgerissen.
»Was für eine Kreatur jagt so?«, fragte Carina entsetzt.
»Ich habe hier etwas, was ihr euch ansehen solltet!«, rief Carroway, der sich ein Stück weit entfernt hatte. Die andern folgten seiner Aufforderung, wobei Vahanian hinten blieb und mit nervösen Blicken und gezogenem Schwert unentwegt die Straßen im Auge behielt. Carroway zeigte auf einen Haufen in der Nähe der Tür eines der abgebrannten Häuser. Tris sah sofort, dass
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