Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
verlangsamte ihr Gefährt sein halsbrecherisches Tempo und hielt dann an einem kleinen Gehölz an.
»Wo sind wir?«, fragte Tris leise. Harrtuck zuckte die Achseln. »Glaubst du, er weiß, dass wir hier sind?«
Harrtuck schüttelte den Kopf. »Kann er nicht. Wer er auch ist, er war ja nicht einmal in Sicht, als wir –«
In diesem Augenblick schlug ein Armbrustbolzen eine Handbreit neben Harrtucks Schulter dumpf in einen Teppich ein.
»Ich würde euch raten, euch ganz langsam zu bewegen«, sagte ein Mann gedehnt. »Mein zweiter Schuss sitzt für gewöhnlich besser.«
Auf Harrtucks Gesicht machte sich ein Grinsen breit. »Bei der Hure!«, stieß er hervor. »Das war schon dein bester Schuss!« Tris sah den Soldaten an, als ob dieser verrückt geworden sei, doch Harrtucks Grinsen wurde noch breiter.
»Kommt raus!«, befahl der unsichtbare Schütze, doch Tris bemerkte eine Spur von Verunsicherung in seiner Stimme. Langsam, mit erhobenen Händen, stießen Tris und Harrtuck die Teppiche und Seidenballen zur Seite, die auf ihnen lagen, und standen auf.
Der Bolzen auf der gespannten Armbrust ihres Fängers war auf Harrtucks Brust gerichtet. Der Mann war jung, vielleicht zwei oder drei Jahre älter als Tris, und trug sein glattes, kastanienbraunes Haar zu einem schulterlangen Zopf gebunden. Aus seinen dunklen Augen sprach ein rasches Auffassungsvermögen, und seine Bräune erzählte von den Monaten, die er unter freiem Himmel verbracht hatte. Doch was Tris am meisten auffiel, war das Selbstbewusstsein, mit dem der Mann die Armbrust hielt und das sich auch in seiner kampfgewohnten Haltung widerspiegelte und seinen Gefangenen sagte, dass die Bemerkung über seine Treffsicherheit kein Bluff gewesen war.
»Vahanian?«, fragte Tris zaudernd, ohne die Hände sinken zu lassen.
»Würdest du wohl dieses Spielzeug weglegen, Jonmarc?«, meckerte Harrtuck gutmütig. »Mir läuft das Blut aus den Fingerspitzen.«
Jonmarc Vahanian sah Harrtuck einen Herzschlag lang verblüfft an, dann entspannte und senkte er seine Armbrust. Nach einem weiteren Moment fing er an zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd. »Harrtuck, du alter Teufel!«, lachte er und trat nach vorne.
Harrtuck umarmte ihn und schlug ihm kräftig auf den Rücken. »Du bist immer noch am Leben, Jonmarc«, begrüßte er ihn. »Die Geschäfte müssen gut gehen.«
Vahanian tat die Bemerkung mit einem Schulterzucken ab. »Du kennst mich ja, Tov. Ich komme zurecht.«
»Wer waren deine Freunde vorhin auf dem Marktplatz?«, fragte Harrtuck. »Noch nie im Leben habe ich dich so nahe bei so vielen Priestern gesehen! Meiner Treu, ich dachte, jetzt holt ihn jeden Moment die Vettel!«
Vahanian lachte. »Die hiesige, äh, Kaufmannsgilde hat mir eine freundliche Standpauke gehalten«, sagte er, doch sein Gesichtsausdruck machte deutlich, dass er die heftige Auseinandersetzung genossen hatte.
»Seit wann interessieren Priester sich für das, was du anzubieten hast?«, fragte Harrtuck skeptisch. »Erzähl mir nicht, dass du auf einmal eine göttliche Berufung verspürst!«, scherzte er.
Vahanian lachte schallend. »Wohl kaum, es sei denn, die Dunkle Lady riefe!«, prustete er. »Ihr schulde ich wahrscheinlich mehr als lebenslange Ergebenheit.« Etwas ernster fügte er hinzu: »Ich hatte ein paar Waren nach Nargi eingeführt. Cartelasische Teppiche und dergleichen.«
Harrtuck starrte ihn perplex an. »Warum sollten Teppiche eine derartige Reaktion bei den Priestern hervorrufen?«
Vahanian sah mit gespielter Unschuld zum Himmel auf. »Das weiß ich auch nicht. Vielleicht weil irgendjemand irgendwo unterwegs die Teppichrollen mit Mussaseide und tordassianischem Brandy vollgestopft hat.«
Tris hatte den ganzen Wortwechsel stumm verfolgt und versuchte, aus dem Abenteurer-Händler schlau zu werden. Wenn Vahanian es so lange überlebt hatte, Waren an den Nargi-Priestern vorbeizuschmuggeln, musste er wohl tatsächlich so gut sein, wie Harrtuck geprahlt hatte. Aber wenn er so profitorientiert war, wie es den Anschein hatte, dachte Tris besorgt, dann mochte das stattliche Kopfgeld, dass Jared mittlerweile ohne Zweifel ausgesetzt hatte, über alle Freundschaft siegen, die ihn mit Harrtuck verband. Er beobachtete, wie die beiden Männer scherzten, und versuchte sich zu entspannen, doch behielt er seine Hand dicht beim Schwert.
»Du hast mir noch nicht erklärt, warum ihr euch in meinem Karren versteckt habt, Tov«, sagte Vahanian.
Harrtuck holte tief Luft. »Ich habe dir einen
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