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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Reise. Philippe atmete heimlich auf. Sie schien ihren Schock langsam zu überwinden.
    »Du bist frei«, sagte er sanft zu ihr.
    »Nein, das bin ich nicht«, widersprach sie. »Du hast mich gefangen genommen, entführst mich in deine Welt. Ich will aber nicht.«
    »Désirée, du hast einen Schock. Deshalb weißt du nicht, was du sagst. Wie schrecklich muss es für dich gewesen sein, unter diesen Wilden zu leben.«
    »Du sprichst, als wären das gar keine Menschen«, hauchte sie entsetzt.
    »Sie sind unzivilisiert. Mit ihnen kann man nichts anfangen. Sie eignen sich nicht einmal für die Arbeit im Bergwerk oder an der Eisenbahnstrecke. Sie besitzen eine archaische Kastenordnung. Und sie sind unberechenbar. Das macht sie so gefährlich.«
    »Sie sind ein eigenes Volk. Kannst du das nicht verstehen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Was glaubst du wohl, warum Algerien eine französische Kolonie ist? Damit wir das Land und seine Einwohner befrieden.«
    »Äußerlich mag Algerien in den Händen von Frankreich liegen, aber es gibt keine Assimilation der eingeborenen Bevölkerung. Sie leben nach ihren eigenen Gesetzen und Regeln, die du nicht verstehst.«
    »Das wird sich alles ändern«, erwiderte er. »Das Land ist groß, und die Eingeborenen sind aufsässig. Es muss eine straffe Infrastruktur geschaffen werden, Verwaltung, Schulpflicht, Militärdienst, Religion, alles unter französischer Oberhoheit. Dann werden auch diese unzivilisierten Wüstenbarbaren bald einsehen, dass sie verloren haben. Aber darüber solltest du dir deinen Kopf nicht zerbrechen. Für die Politik sind die Politiker da.«
    »Glaubst du eigentlich an das, was du da sagst?«, wollte sie wissen und betrachtete ihn wie ein ekliges Insekt.
    »Glauben ist etwas für religiöse Menschen. Natürlich glaube ich auch an die Sache Frankreichs, wie jeder aufrichtige Franzose. Aber ich mische mich nicht in die Politik ein, von der ich nichts verstehe. Ich bin Ingenieur und verstehe etwas vom Bergbau, von Brücken und Eisenbahnen. Ich will etwas für die Erschließung dieses Landes tun.«
    »Aber du grenzt seine Menschen aus«, ereiferte sie sich.
    Er betrachtete sie voller Zärtlichkeit. »Du läufst einem Traum nach, einer Utopie. Niemals können alle Menschen gleich sein.«
    »Aber ist das nicht gerade unser wichtigstes Prinzip? Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit?«
    »Sicher. Für Frankreich.«
    »Warum nicht für alle Menschen?«
    Philippe lehnte sich gegen einen Kamelsattel und schenkte ihr ein nachsichtiges Lächeln. »Niemand verbietet dir, von einer besseren Welt zu träumen. Aber bitte, belass es wirklich beim Träumen. In der Wirklichkeit musst du realistisch bleiben.«
    Sie schwieg verstimmt. Alle ihre Argumente prallten an Philippe ab. Wahrscheinlich war es auch ein Traum, zu glauben, Philippe befreie sich von seinen eigenen Zwängen. Das lag ihm so fern wie der Horizont hinter dem Großen Erg.
    Unter den Soldaten brach Streit aus. Je länger die Reise dauerte, umso schlimmer wurde es. Auch die gebrüllten Befehle des Leutnants änderten nicht viel daran. Die permanente Zurschaustellung der Gewehre verursachte Désirée tiefstes Unbehagen und erinnerte sie zudem immer wieder schmerzhaft an die Geschehnisse im Nomadenlager. Sie fühlte sich schmutzig.
    Désirée empfand den Leutnant Pellegrue als äußerst unangenehm.
    »Warum war dieses militärische Aufgebot notwendig?«
    »Na, du bist gut«, entgegnete Philippe kopfschüttelnd. »Die Tuareg sind gefürchtete Räuber. Sie überfallen Karawanen, erheben Zölle auf den Sklavenhandel und versklaven selbst diese armseligen Kreaturen. Sie machen nicht einmal vor ihren eigenen Leuten halt, sondern überfallen sie, rauben ihr Vieh und töten ihre Frauen.«
    »Nein, niemals!«, widersprach Désirée heftig. »Sie rühren keine Frauen an, auch nicht die ihrer Feinde. Alles, was sie tun, ist ehrenhaft.«
    Philippe lachte laut auf. »Du träumst wirklich, kleines Dummerchen. Wie kann ein Überfall ehrenhaft sein? Nein, nein, du solltest dich nicht blenden lassen von ihrem Gehabe. Die einzige Sprache, die sie verstehen, ist die Gewalt.«
    »Was haben dir die unschuldigen Frauen und Kinder getan, die dieser grässliche Kerl hat töten lassen?«
    Sie erntete einen verständnislosen Blick. »Aus jedem Kind wächst ein neuer Räuber heran. Sie kennen nur den Krieg und diese Überfälle. So etwas muss man vernichten wie schädliches Getier.«
    Désirée presste die Lippen zusammen. Philippe sprach über die Tuareg,

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