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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Farbschattierung und Musterung hatten die Tuareg einen besonderen Namen. Abzaw hieß Arkanis Mehari, ein Tier, das fast weiß war, azerraf ein geschecktes Kamel, alemlar ein graues Tier, éberim ein gelbliches Kamel und Désirées Reitkamel hieß égadé , ein wundervolles hellbraunes Tier.
    Sie wunderte sich, dass sie all die Namen behalten hatte, sinnlos für sie, lebenswichtig für Arkani.
    Arkani! Sie zog sich noch tiefer unter ihren alechu zurück, und einige Erinnerungen an die Zeit mit Arkani stiegen in ihr auf. Das Erste, was sie vor ihrem inneren Auge sah, wenn sie an ihn dachte, war seine imposante Gestalt. Das wehende indigoblaue Übergewand, der kunstvoll gewundene Turban, dessen Ende als Schleier vor seinem Gesicht lag und seine Haut blau färbte, die unglaublich ausdrucksvollen, ungewöhnlichen grauen Augen mit den goldenen Punkten darin, seine schmalen und doch so kräftigen, zärtlichen, erkundenden, helfenden, beschützenden Hände, die gleichwohl erbarmungslos das rote Schwert führen konnten, um einem Feind mit einem Hieb den Kopf vom Rumpf zu trennen. Sie hörte seine sanfte, durch den tugulmust gedämpfte Stimme, tief und geheimnisvoll, wie sie in seiner klangvollen Sprache und in Französisch sang. Sie erinnerte sich an seinen Körper, schlank, mit festen Muskeln, im rötlichen Schein des Mondes, an verwunschenem Ort, umhüllt vom Wasser der geheimnisvollen Quelle. Sie sehnte sich so sehr nach ihm, nach seinen Zärtlichkeiten, seiner Liebe.
    O ja, sie war sich sicher, dass Arkani sie liebte. Er liebte sie, wie ein Mann seine Frau liebte. Doch dann schoben sich andere Bilder davor, Bilder des Grauens. Ein zerstörtes Lager, verbrannte Zelte, verwüstete Felder, schweigende Menschen mit anklagenden Blicken, Gräber am Fuße der Dünen ...
    Und dann weinte sie leise. Der Schlaf kam lautlos auf einem schwarzen Kamel geritten.
    Sie träumte von Paris, der Rue de Voisin. Sie sah das hohe, mehrstöckige Haus vor sich, in dem sie wohnten. Ja, Vater war noch da. Er saß in seinem Arbeitszimmer mit einer Lupe über antike Scherben gebeugt und hatte die Zeit vergessen. Désirée stand mit einem Tablett in der Hand in der Tür.
    »Vater, willst du wirklich nichts essen?«
    »Komm her, Désirée, und schau dir das an. Das ist tatsächlich eines dieser Ölgefäße, das die ägyptischen Priester benutzten, um die Toten einzubalsamieren. Siehst du hier diesen schwarzen Schakal? Das ist Anubis, der Totengott. Und hier drin kannst du sogar noch Reste eingetrockneten Öls erkennen ...« Draußen auf dem Kopfsteinpflaster der Straße ratterten Kutschen vorbei. Eine hielt vor dem Haus, und Philippe stieg aus. Er hielt einen Blumenstrauß in der Hand. »Vater, Philippe will um meine Hand anhalten«, sagte sie.
    Und der Vater winkte ungeduldig ab. »Ja, ja, fangt schon mal an. Ich komme gleich, muss nur noch dieses wertvolle Stück sichten ...«
    Stöhnend wälzte sich Désirée herum. Sand knirschte zwischen ihren Zähnen, und ein Druck lastete auf ihrer Brust. Sie musste das Fenster öffnen, ganz weit, um Luft zu bekommen, sonst würde sie ersticken. Sie schaute hinaus.
    Paris, die quirlige, lebendige Großstadt, die niemals schlafen ging. Aber da gab es keinen Frieden, keine Weite und auch keine Zeit. Das Leben verlief hektisch, in quälender Enge und in ständigem Streit mit dem Nachbarn. Dort wurde sie betäubt vom Lärm und der Eile, dort verdeckten Dächer die Sicht auf die Sterne, und die Luft in den Zimmern roch muffig und abgestanden. Kein Wind brachte Hitze oder Kühle, die Probleme schufen sich wie von selbst in den Gassen und Straßen, in den Häusern und öffentlichen Gebäuden.
    Dort gab es nicht das, was sie hier in der Wüste fand: die Zeit, den Frieden und die Möglichkeit, sich selbst zu finden. Sie konnte hier den Blick in die Ferne richten und die sie umgebende Natur betrachten, die vom Wind seltsam geformten Steine, die scharfgratigen Wanderdünen oder das einzelne Sandkorn, die Spur eines Käfers oder einer Schlange im Sand, oder auf ihr Inneres konzentriert über all die Dinge nachdenken, die das Glück der Seele ausmachten.
    Sie fuhr auf und starrte in die Dunkelheit. Die wachhabenden Soldaten saßen am Feuer und unterhielten sich leise. Die Kamelführer hatten es sich bei ihren Tieren bequem gemacht. Sie spürte Philippes Hand.
    »Hast du schlecht geträumt, mein Kleines?« Seine Stimme war sanft und besorgt.
    Mit einem Ächzen ließ sie sich wieder auf ihre Decke sinken. Philippe war bei

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