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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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über den Sand, über die unwilligen Dromedare.
    Eines Abends gesellte sich der Leutnant zu Désirée und Philippe. Désirée befand sich in einem denkbar schlechten Zustand, sowohl körperlich als auch seelisch. Stets trug er eine kurze, geflochtene Lederpeitsche bei sich. Fast ununterbrochen klopfte er sich den stumpfen Kopf der Peitsche in die linke Handfläche, während seine kleinen, blauen, eng zusammenstehenden Augen ihm den etwas unbedarften Ausdruck eines Affengesichts verliehen.
    »Ich war tatsächlich gespannt darauf, wie wohl diese verrückte Mademoiselle aussehen würde, für die dieser ganze Aufwand betrieben wird«, sagte er mit einem schrägen Grinsen. »Sonst habe ich mir die Neugier nämlich inzwischen abgewöhnt.«
    Désirée wandte den Kopf ab, um ihn nicht anschauen zu müssen. Es schien ihn nicht zu stören, dass sie ihn mit Missachtung strafte. Er hockte sich unaufgefordert neben das kleine Feuer, an dem die beiden saßen. Die Knie angezogen und die Arme darauf gestützt, klopfte er auch jetzt ununterbrochen mit der Peitsche in seine Handfläche. »Sie sind also eine von diesen modernen Grabräubern, die im Sand nach alten Leichen suchen.« Er grinste wieder. »Das verstehe ich nicht, was daran so interessant sein soll, dass man sich dafür in eine derartige Gefahr begibt.« Er schüttelte leicht den Kopf, während er ins Feuer starrte. »Komisch, ich mache genau das Gegenteil. Ich bringe die Leute unter die Erde.«
    Er lachte. Désirée bäumte sich unvermittelt auf und stöhnte leise.
    »Sie sehen doch, dass es meiner Braut nicht gut geht, Leutnant. Sie braucht Ruhe.«
    Pellegrue warf Désirée einen kurzen Blick zu. »Immerhin ist sie durch die blaue Hölle gegangen«, bemerkte er. »Da muss man schon ein bisschen was aushalten. Jedenfalls bin ich froh, dass wir sie lebend gefunden haben. Das bringt mir mehr Pluspunkte als eine tote Französin.«
    Demonstrativ zog sich Désirée den alechu vors Gesicht. Philippe griff nach Désirées Hand, während er den Leutnant böse anblitzte. »Ich bitte Sie, lassen Sie sie in Ruhe.«
    Pellegrue erhob sich. »Immerhin lebt sie«, wiederholte er. »Vergessen Sie das bitte nicht, wenn Sie sich bei meinem General bedanken.« Dann ging er davon.
    Désirée bedauerte, dass sie keinen Dolch bei sich trug, den sie ihm hätte in den Rücken schleudern können. Sie rollte sich zusammen und zog sich die Decke über den Kopf.
    Während des Rittes brütete sie dumpf vor sich hin. Noch immer hatte sie den Geruch der verbrannten Lederzelte in der Nase und sah die erstarrten Gesichter der Menschen im Lager. Den alechu vor das Gesicht gezogen, schottete sie sich von ihrer Umgebung ab, als könne sie damit die Unbill abhalten.
    Ihr Herz war zu Eis erstarrt. Sie fühlte sich schrecklich schuldig und gleichzeitig wollte sie gegen ihr eigenes Schicksal aufbegehren. Mit Erschrecken stellte sie fest, dass es unmöglich war. Arkani hatte Recht, sie war Gefangene ihrer eigenen Welt.
    Sie fragte sich, was sie dort am Ende der langen Reise erwarten würde. Das Erste, was ihr in den Sinn kam, war eine Badewanne. Sie glaubte den Duft von Rosenöl im Badewasser wahrzunehmen. Ein weiches Sofa, ein üppiges Mahl, das ihr das Hausmädchen servierte. Schwatzhafte Nachbarinnen, die sie zum Kaffeekränzchen besuchten.
    Sie dachte an Straßen, gepflastert und gerade. Eine geordnete Welt, mit Ecken, Winkeln, Mauern, Konventionen. Alles um sie herum würde ihr seinen Willen aufdrängen, jede Straße, jede Ecke, jede Mauer.
    Mit geschwollenen Augen heftete sie ihren Blick auf Philippes schwankenden Rücken auf dem Kamel. Er bot ein lächerliches Bild. Er gehörte nicht auf den Rücken eines Kamels. Er gehörte überhaupt nicht in die Wüste.
    Philippe war auch Gefangener seiner eigenen Welt, die er für das Maß aller Dinge hielt. Sie mochte es ihm nicht vorwerfen. Er konnte nichts dafür. Jeder war Gefangener seiner Welt. Es sei denn, er befreite sich daraus.
    Sie warf einen Blick auf die Wüste. Mittlerweile war sie ihr ein so vertrauter Anblick, die Weite, die Stille, die herbe Schönheit. Alles reduzierte sich auf das Wesentliche. Sie überhöhte die Verdienste und verschlimmerte die Fehler. Sie war Allahs Garten, in dem er alles Überflüssige entfernt hatte. Hier sollte sich der Mensch erkennen. Waren nicht schon die biblischen Einsiedler in die Wüste gegangen, um Erleuchtung zu erlangen?
    »Gib mich frei!« Das waren Désirées erste Worte an diesem Abend nach sechs Tagen ihrer

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