Im Bann des roten Mondes
und sich dann zu ihr umdrehte.
Seine Haut war heller als die von Muammar, und zu Désirées Überraschung besaß er blaue Augen. Sein Gesicht wirkte intelligent. Auch seine Haltung war keinesfalls unterwürfig. Sie bemerkte die gute Qualität seiner Kleidung, und er hatte die schönen schmalen Hände arabischer Beduinen.
Er ließ gelassen ihre Betrachtung über sich ergehen. »Zufrieden?«, fragte er dann.
»Das werden wir sehen, wenn ich gehört habe, was Sie mir zu sagen haben«, erwiderte Désirée. Sie wollte erst gar keine Missverständnisse aufkommen lassen.
»Das ist kein Geschäft, das man auf der Straße erledigt«, sagte er dann zu ihr und blickte sich um. »Wir sollten uns irgendwohin zurückziehen, wo wir nicht so beobachtet werden.«
»Ich setze voraus, Sie haben keine unlauteren Absichten«, sagte Désirée misstrauisch.
Der Fremde lachte leise auf. »Das habe ich nicht nötig. Bei mir sind Sie sicher wie in Abrahams Schoß.«
Trotzdem war Désirée auf der Hut. »Wir könnten uns in meinem Hotel unterhalten.«
»Nein«, wehrte der Mann ab. Er wandte sich dem Boulevard zu. »Ein Café ist besser.«
»Soviel ich weiß, sind arabische Cafés nicht für Frauen zugelassen.«
Er lächelte. »Sie kennen sich gut in unseren Sitten und Gebräuchen aus.«
Désirée neigte den Kopf. »Shukran« , dankte sie auf Arabisch. »Ich weiß die Gastfreundschaft der Araber zu schätzen.«
»Dann lade ich Sie ein, in ein französisches Café.«
»Einverstanden.«
Gemessenen Schrittes ging der Fremde neben ihr her, und Désirée warf ihm ab und zu einen verstohlenen Seitenblick zu.
Sie betraten ein Café auf dem Boulevard, während der Fremde ihr galant die Tür aufhielt. Offensichtlich verstand er sich auch sehr gut auf europäische Sitten.
Der Besitzer des Cafés begrüßte ihn sehr zuvorkommend, als würde er ihn kennen. Der Fremde beugte den Kopf zu ihm und flüsterte ihm etwas zu, worauf der Mann nickte und mit der Hand zu einer schmalen Treppe wies, die ins Obergeschoss führte.
Der Fremde drehte sich zu ihr um. »Kommen Sie«, forderte er sie auf. Zögernd folgte Désirée ihm.
Das Zimmer im Obergeschoss ähnelte eher einem arabischen Café. Statt Stühlen und hoher Tische gab es niedrige Polster und flache Tische, kunstvoll aus Messing und dunklem Holz gearbeitet. Die Fenster waren mit durchbrochenen Holzläden verschlossen, und es roch nach Weihrauch und Minze. Eilfertig brachte der Caféhausbesitzer eine Wasserpfeife.
Der Fremde ließ sich auf einem Diwan nieder und wies auf das Polster ihm gegenüber. »Wünschen Sie Tee oder Mokka, Mademoiselle?«
»Tee, bitte.« Mokka hätte ihr heftig schlagendes Herz nur noch mehr erregt. Der nach außen getragene kühle Schein trog. Was wollte dieser Mann von ihr?
Désirée schwieg, bis sie den Tee und der Fremde Mokka serviert bekommen hatten. Entgegen allen orientalischen Höflichkeitsregeln blickte sie ihn direkt an. »Was wollen Sie von mir?«
»Nichts«, erwiderte er gelassen. »Ich will von Ihnen gar nichts.«
»Und warum verfolgen Sie mich dann? Was soll das Ganze?«
»Sie haben ein Problem, und ich kann Ihnen helfen.«
Désirée hätte sich beinahe an ihrem Tee verschluckt. »Was wissen Sie darüber?«
»Alles. In der Kasbah haben die Wände Ohren.«
»Sie sind ein Spion?«
Er lachte amüsiert. »Nein«, erwiderte er. »Das brauche ich nicht zu sein. In der Kasbah gelten eigene Gesetze und Regeln. Und manche Dinge verbreiten sich eben wie diese kleinen Piepser in den Telegrafenleitungen.«
Désirée senkte den Kopf. »Nun, wenn Sie schon alles wissen, warum dann diese Heimlichkeiten?«
»Weil es ein Geschäft ist, das ich Ihnen vorschlage. Ein Geschäft, wie Sie ins Hoggar-Gebirge kommen.«
»Da bin ich aber neugierig, wenn schon dieser Teppichhändler darum so ein Theater macht. Wieso warnen Sie mich nicht wie alle anderen, denen ich davon erzählte?«
»Weil ich überzeugt bin, dass Sie eine kluge Frau sind, die weiß, was sie will.«
»Oh, danke«, murmelte Désirée. »Das tut richtig gut.«
»Und wenn Sie sich deshalb sogar in die Kasbah wagen, dann haben Sie sich das sicher gut überlegt.«
»Davon gehe ich auch aus. Und Sie wissen ja, was ich will.«
»Ja«, antwortete er gedehnt. Ein unergründliches Lächeln lag auf seinem Gesicht. »Algier ist ein gefährliches Pflaster. Für Geld ist alles zu haben. Man muss nur den Preis wissen.«
»Und wie hoch ist der Preis?« Sie nahm sich vor, diesem Lächeln zu widerstehen.
Er
Weitere Kostenlose Bücher