Im Bann des roten Mondes
spannte zwei Decken zu einem Zelt. Dann sammelte er trockenes Holz und entfachte ein Feuer. Das war für die Männer wohl die wichtigste Tätigkeit, die Zubereitung des Tees. Désirée hockte sich ans Feuer und ließ sich ein Teeglas reichen. Sie schlürfte das heiße, aromatische Getränk. Plötzlich fühlte sie eine starke Müdigkeit in sich aufsteigen. Ihr ganzer Körper schmerzte, und sie fühlte sich schmutzig und unwohl.
Mit steifen Gliedern erhob sie sich, während Abdelaziz das Abendessen vorbereitete. Sie suchte aus dem Gepäck eine Schüssel hervor und begab sich hinter die Zeltwand. Zum Glück gab es genug Wasser in ihrem Reisegepäck. Und sie hatte auch nicht versäumt, ein Stück duftende Seife einzupacken, die sie aus Paris mitgebracht hatte. Danach fühlte sie sich bedeutend besser und setzte sich wieder ans Feuer. Abdelaziz hatte Couscous zubereitet und schnitt getrocknetes Hammelfleisch in Streifen.
Sie schaute den Männern kauend zu, während sie ihr Abendgebet verrichteten, gen Mekka gewandt und nach einer rituellen Waschung mit Sand. Désirée verstand nicht, warum sie kein Wasser dazu benutzten. Sie hatten ja eine große Menge mitgenommen, und in der nächsten Oase würden sie ihren Vorrat wieder auffüllen.
Nach dem Essen wollte sich Désirée zur Ruhe begeben. Sie nahm ihre Decken aus dem Wagen und ärgerte sich im Stillen, dass keiner der Männer ihr das Lager bereitet hatte. Ihre Dienste beschränkten sich tatsächlich nur auf das Führen der Automobile und das Zubereiten von Tee und Mahlzeiten. Sie wusste nicht, ob es eine stille Form der Verweigerung war oder ob sie diese Order von ihrem Scheich erhalten hatten. In ihren Kreisen unterschieden sie sich sehr wohl vom einfachen Kamelführer oder Droschkenkutscher. Immerhin mussten sie eine spezielle Ausbildung absolvieren.
Vorsichtshalber zog sie sich einen brennenden Ast aus dem Feuer, um in das provisorische Zelt hineinzuleuchten. Sie warf die Decken auf den Boden. Die Nächte waren unangenehm kalt, obwohl es tagsüber brütend heiß war. Kleine Steine übersäten den Boden. Désirée schob sie unmutig mit dem Fuß beiseite. Unter einem Stein hockte ein schwarzes Tier – ein Skorpion! Anstatt zu flüchten, drehte er sich zu Désirée um und hob drohend die Scheren. Den grässlichen Schwanz stellte er in einem Bogen gegen den Angreifer auf. Sie fuhr mit einem Schrei zurück. Alles, was kein Fell und mehr als vier Beine besaß, schreckte und ängstigte sie.
»Geh weg! Hau ab, du Vieh!« Der Skorpion wippte drohend mit seinem Schwanz. Verzweifelt warf sie die Fackel nach ihm. Wahrscheinlich starb er den Heldentod, aber auch die Zeltplane ging in Flammen auf. Sie wurde beiseite gestoßen, das Schreien der Männer übertönte das Prasseln der Flammen. Mit der anderen Decke versuchten sie, das Feuer auszuschlagen. Vergebens! Nicht nur die Plane war verbrannt, sondern auch ihre Schlafdecken.
Abdelaziz zerrte die glühenden und glimmenden Reste ihres Nachtlagers weg.
»Beinahe hätte es eine Katastrophe gegeben«, brüllte Abdullah sie an.
»Allerdings«, konterte sie entnervt. »Wenn mich dieses Vieh gestochen hätte ...«
»Dann hätte ich Allah gedankt für seine Güte«, gab Abdullah giftig zurück. »Sie wissen gar nicht, was Sie angerichtet hätten mit dem Feuer.«
»Es tut mit Leid wegen der Decken«, gab Désirée zu. »Aber schließlich musste ich mich ja gegen den Skorpion verteidigen. In der nächsten Oase können wir doch sicher den Beduinen Decken abkaufen. Ich werde sie natürlich auch bezahlen.«
»Es geht überhaupt nicht um die Decken«, schnaufte Abdullah ungehalten. »Dieser Treibstoff, mit dem die Automobile fahren, ist hochexplosiv. Sie hätten uns beinahe alle zur Hölle geschickt!«
Désirée erschrak. »Das ... das wusste ich nicht«, stammelte sie. Doch dann fasste sie sich wieder. »Sie hätten mich darüber aufklären sollen. Woher sollte ich das denn wissen?«
Befremdet starrte Abdullah sie an. »Aber Sie sind doch eine Frau.«
Désirée schnappte nach Luft. Mit der Hand fuhr sie sich durchs Haar. »Himmel, ja, ich vergaß, dass ich mich hier in einer frauenfeindlichen Welt befinde.«
Abdullah schwieg, doch sein Blick verriet, was er über sie dachte. Mit den Füßen trat er die letzten glimmenden Reste der Decken aus. »Sie sollten im Automobil schlafen«, sagte er schließlich.
Das sah Désirée ein. Sie machte es sich auf dem ledernen Autositz so bequem wie möglich. Es war jedoch eine Tortur. Sie
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