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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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konnte sich weder ausstrecken noch drehen, die Polsterung war hart wie Holz, und der Gedanke, dass hinter ihr Kanister voll explosiven Treibstoffs standen, ließ sie kaum schlafen. Sie war froh, als sie nach dem Morgengebet der Männer und einem starken Pfefferminztee weiterfuhren.
    Nach drei quälenden Tagen und Nächten erreichten sie endlich das kleine Dorf Golea. Es gab Palmen, Sträucher, Gras, Brunnen, einen kleinen Bach, Felder, Häuser, Esel, Ziegen, Schafe, Kamele – und Menschen. Doch die rannten zunächst schreiend davon. Die knatternden, stinkenden und ohne sichtbares tierisches oder menschliches Zutun fahrenden Ungetüme versetzten sie in Panik.
    Erst als die Motoren schwiegen, wagten sie sich zögernd und vorsichtig wieder hervor. In respektvollem Abstand umstanden sie die ungewöhnliche Karawane und begafften sie.
    Désirée konnte nicht warten, bis die Bewohner der Oase auf sie zukamen. Sie eilte an ihnen vorbei zu dem kleinen Wasserlauf, warf sich auf den Boden und tauchte ihr glühendes, spannendes Gesicht in die trübe Flüssigkeit. Es erschien ihr als das Paradies schlechthin. Dann rappelte sie sich auf und drehte sich um.
    Erst jetzt schienen die Bewohner zu bemerken, dass sie eine Frau war. Bislang galt ihr scheues Interesse den unheimlichen Eisenkarren. Doch eine Frau in Männerkleidung war weitaus schrecklicher als diese Ungeheuer auf Rädern. Es war etwas, das es nicht geben durfte.
    Ein älterer Mann trat vor und sprach Abdullah an. Dabei deutete er mehrmals auf Désirée. Noch hatte Désirée nicht begriffen, dass es um sie ging. Sie war die Chefin dieses kleinen Unternehmens, und dieser Mann, wahrscheinlich der Dorfälteste, sollte sich am besten an sie wenden und nicht an ihren Fahrer. Aber wahrscheinlich war er auch der Meinung, da sie nur eine Frau war, hatte sie nichts zu sagen.
    Abdullah sagte etwas zu ihm, dann nickte er und kam zu Désirée. »Dieser Mann ist der Imam des Dorfes«, sagte er. »Er befürchtet einen schlechten Einfluss auf die Dorfbewohner, wenn Sie so herumlaufen.«
    »Ich? Wie herumlaufen?«
    »In Männerkleidung«, zischte er und wandte sich angewidert ab.
    »Was geht den Imam meine Kleidung an?«, wunderte sie sich. »Soll er sich um seine Leute kümmern, nicht um mich. Außerdem fahren wir ja morgen weiter.«
    »Er will, dass wir sofort weiterfahren«, entgegnete Abdullah.
    »Sprich mit ihm, und besänftige ihn. Gib ihm Geld.«
    »Geld? Welches Geld? Wir haben kein Geld. Außerdem würde Geld ihn nicht besänftigen. Es gibt Werte, Traditionen im Islam. Und es gibt ein festes Frauenbild.«
    »Oh, das weiß ich, und ich bekomme es ja jeden Tag vorgehalten. Aber alle vergessen, dass ich keine Muslimin bin. Sie müssen mich akzeptieren, so wie ich bin.«
    »Das werden sie nicht«, widersprach Abdullah.
    »Ich möchte einmal in einem richtigen Bett schlafen, ich möchte einmal in einem See baden, ich möchte einmal ein richtiges Dach über dem Kopf haben, meine Beine ausstrecken, ich möchte mich einmal satt essen. Bis jetzt habe ich alles klaglos ertragen, auch wenn man mir nicht gerade respektvoll entgegengekommen ist. Ich will es nachsehen, ich will es vergessen. Ich will nur diese Nacht in diesem Dorf zubringen. Und ich will neue Decken kaufen.«
    »Das Geld sollten Sie dafür verwenden, Frauenkleider zu kaufen. Und Sie sollten sich verschleiern. Die Menschen hier fühlen sich in ihrer Scham verletzt, wenn Sie so freizügig herumlaufen.«
    »Aber ich bin doch nicht nackt!«, begehrte sie auf.
    »Es ist für sie wie nackt«, widersprach er. »Also tun Sie es oder wir müssen sofort weiterfahren.«
    Désirée seufzte. »Was ist das für ein Land? Ich respektiere doch den Islam. Ich war in Karthago, kenne Land und Leute. Niemand hat sich daran gestoßen, dass ich keine Muslimin bin und unverschleiert. Ich habe auch Respekt vor diesen Menschen, wenn sie mich nur auch respektieren.«
    Abdullah senkte den Kopf. »Ich fürchte, dass Sie sich irren«, sagte er schließlich.
    Désirée drehte sich um und breitete die Arme aus. »Bien, Mesdames et Messieurs, ich kaufe Ihnen gern etwas ab. Also, was haben Sie zu bieten?«
    Einer nach dem anderen drehte sich ab und ging davon. Zum Schluss stand sie mit Abdullah und Abdelaziz allein auf dem Weg.
    »Gut«, rief sie den Leuten hinterher. »Dann lasst es eben bleiben! Ich brauche euch nicht! Ich brauche eure Kleider nicht und eure Palmen und euer Wasser. Und ich brauche nicht eure klugen Ratschläge und eure unverschämten

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