Im Bann des roten Mondes
beiden Automobilen; sie hatte Sorge, dass die Maschinen bei dem heftigen Bremsmanöver unterwegs Schaden genommen haben könnten. Aber sie konnte beruhigt sein. Gepolstert von dicken Strohballen hatten die kostbaren Gefährte des Scheichs alles gut überstanden und rollten nun zur Bewunderung der Menschen am Bahngleis über eine Rampe aus dem Waggon.
Désirée wollte keine Zeit vertrödeln und forderte die beiden Maschinisten auf, die Automobile startklar zu machen. Emsig hantierten sie unter den hochgefalteten Hauben an den Motoren, schütteten aus den verschiedenen Kanistern irgendwelche Flüssigkeiten hinein. Dann endlich warf Abdullah mit einer Kurbel eine der Maschinen an. Es knallte und puffte, zwei kleine Explosionen vertrieben die aufschreienden Gaffer, dann tuckerte der Motor gleichmäßig im Rhythmus eines gigantischen Uhrwerks. Abdelaziz kurbelte nun seinerseits das andere Automobil an, bis beide Motoren um die Wette blubberten.
»Bitte steigen Sie ein, Mademoiselle«, forderte Abdullah Désirée auf.
Sie beschloss, sich neben Abdullah zu setzen, der ihr ein wenig mehr Vertrauen einflößte als der wortkarge Abdelaziz.
Lärmend und schnaufend fuhren sie durch Djelfa nach Süden. Mensch wie Tier flohen vor den Ungetümen, und selbst der stoische Esel wurde plötzlich zum Rennpferd. Ihre Fahrt wurde begleitet vom Rufen und Schreien der Menschen und Tiere, Hühner flatterten auf Désirées Schoß. Plötzlich endete die Fahrt des zweiten Automobils an der Stange eines Zeltdaches, das vor einem Gemüseladen aufgespannt war. Das Dach krachte herunter, die Feigen, Oliven und Granatäpfel rollten über den Staub. Der Besitzer kam schimpfend und drohend aus dem Laden gelaufen, hielt aber respektvollen Abstand vor dem unheimlichen Gefährt.
Abdullah stoppte, zog die Handbremse an und stieg aus, um Abdelaziz zu helfen und den Ladenbesitzer zu beruhigen. Der ging mit dem drohend erhobenen Bruchstück seiner Zeltstange auf Abdullah los. Dieser zeigte auf Désirée.
»Es tut uns sehr Leid, mein Herr, bitte entschuldigen Sie«, wehrte sie die Attacke des Händlers ab. Aber diesem schien arabische Höflichkeit fremd. Seine drohende Geste war unmissverständlich.
»Aber so nehmen Sie doch Vernunft an«, rief Désirée. »Ich sagte Ihnen doch, dass wir es bedauern, nicht wahr, Abdullah?« Hilfe suchend wandte sie sich zu ihm um, doch er war hektisch damit beschäftigt, das zweite Automobil unter dem Zelt hervorzuschieben und den Motor erneut anzuwerfen. Die Umstehenden verloren langsam die Scheu vor dem eisernen Monstrum und rückten näher.
»Bezahlen Sie ihn, Mademoiselle«, rief Abdullah und drehte die Kurbel.
»Ich? Aber wieso denn? Ich habe das Automobil nicht gesteuert. Können wir das nicht anders klären?«
»Wir können gleich gar nichts mehr klären«, schnaufte Abdullah und kurbelte emsig weiter. Beim dritten Versuch sprang der Motor an.
Schnell zog Désirée einen Geldschein hervor, was den Händler augenblicklich beruhigte.
Abdelaziz drückte einen roten Gummiball zusammen, und aus der daran befestigten Trompete erklang ein misstönendes Hupen. Schreiend liefen die Menschen auseinander. Abdullah nutzte die Gelegenheit, um zu seinem Wagen zurückzulaufen. Er sprang auf, löste die Bremse und fuhr los. Abdelaziz folgte ihm.
Noch mehrmals drehte Désirée sich besorgt um, aber die Leute verfolgten sie nicht weiter. Sie atmete auf.
Nach der überstandenen Gefahr regte sich in ihr Ärger. »Das war knapp«, rief sie Abdullah zu. »Es wäre vermeidbar gewesen, wenn Ihr Freund dieses Gefährt besser steuern würde.«
»Wenn es Ihnen nicht passt, Mademoiselle, dann steuern Sie es doch selbst. Schließlich haben Sie es bezahlt.«
»Was fällt Ihnen ein?«, schnaufte sie. »Ich habe Sie als Fahrer angeheuert.« Diese Algerier sollten sich endlich daran gewöhnen, dass der arabischen Schludrigkeit jetzt europäische Disziplin folgt. »Bei mir zählt immer noch gute Leistung für gutes Geld.«
Abdullah warf ihr einen vernichtenden Blick zu. »Ich verzichte gern auf Ihr Geld, Mademoiselle, wenn ich dafür meinen Kopf behalten kann.«
»Ach, gehen Sie mir doch weg mit diesen Ammenmärchen! Wenn es wirklich so gefährlich wäre, hätte mir Scheich Mohammed nicht diese Automobile vermietet. Sicher legt er Wert darauf, sie unversehrt wiederzubekommen.«
»Darauf können Sie Gift nehmen«, erwiderte er. Dann starrte er verbissen nach vorn und schwieg.
Désirée war froh, als sie die Stadt mit ihren engen und
Weitere Kostenlose Bücher