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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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und sie lachte und lachte, bis ihr die Tränen kamen. Der riesige Schrankkoffer, der Madame Chabrol gehörte, hatte sich in der Tür verklemmt. Am ärgsten traf es den Kabylen, der sich noch im Coupé befand. Ihm war der Fluchtweg versperrt.
    Madame kam langsam wieder zu sich, während ihr Gatte auf die Sitzbank gesprungen war und sich in die äußerste Ecke des Coupés drängte. Ihn irritierte zudem, dass Désirée aus vollem Halse lachte. Dann sprang sie auf.
    »Sie fürchten sich doch nicht etwa vor diesem jämmerlichen Tagedieb«, rief sie und versetzte dem Kabylen einen heftigen Tritt mit ihren Schnürstiefeln in dessen Hinterteil.
    Er schrie vor Schmerz und Empörung auf und versuchte über den verklemmten Koffer hinweg nach draußen zu gelangen.
    »Aber das habe ich schon schneller gesehen«, rief Désirée und zog ihren kleinen Dolch unter der Jacke hervor. Sie piekste ihn damit ins Hinterteil, und diesmal reichte der Schmerz, dass er in den Gang plumpste. Gemeinsam mit seinen Kumpanen suchte er sein Heil in der Flucht.
    Draußen wurde geschossen. Madame Chabrol sank gleich wieder in Ohnmacht. Doch die Stimmen entfernten sich, es herrschte gespenstische Stille. Nach einer Weile schaute ein Zugbegleiter herein.
    »Ist alles in Ordnung?«, wollte er wissen. »Diese Bande ist über alle Berge. Wir setzen die Fahrt in Kürze fort.«
    Monsieur Chabrol stand immer noch auf der Bank und blickte in komischem Entsetzen auf seine ohnmächtige Frau herab. »Wasser«, murmelte er. »Meine Frau braucht kaltes Wasser.«
    Désirée versuchte inzwischen, den verklemmten Koffer wieder ins Innere des Coupés zu zerren. »Helfen Sie mir lieber«, keuchte sie. »Ihre Frau kommt auch allein wieder zu sich.«
    Zögernd stieg Monsieur von seiner Bank herab, rückte seinen Binder gerade und straffte das Jackett. Dann zog er am Koffer.
    »Du liebe Güte, was hat denn Ihre Frau da drin?«, wollte Désirée wissen, als sich das Monstrum mit einem Ruck löste und auf den Boden knallte. Der Knall bewirkte, dass Madame wieder zu sich kam. »Hilfe, Hilfe, nicht schießen!«, schrie sie.
    Désirée winkte ab. »Hier schießt keiner mehr«, erwiderte sie. »Und Ihren Koffer haben Sie auch noch. Geben Sie das nächste Mal Ihr Gepäck in den Gepäckwagen, dann werden Sie auch nicht überfallen.«
    »Ich möchte nur wissen, was diese Kerle mit den Kleidern meiner Frau wollten«, murmelte Monsieur.
    Désirée musste wieder kichern. »Vielleicht stehen die auf so etwas.«
    Sie erntete einen tadelnden Blick von Monsieur. Madame Chabrol fächelte sich Luft zu, und ihr Gatte unterstützte sie dabei.
    »Warum haben Sie eigentlich vorhin gelacht?«, fragte er Désirée verärgert. »Ich fand das sehr unangemessen in dieser Situation.«
    Désirée lachte wieder. »Aber wirksam«, erwiderte sie.
    Wenn alle Wüstenräuber solche Tollpatsche waren, dann brauchte sie wirklich nichts zu befürchten. Mit einem zufriedenen Lächeln steckte sie den kleinen Dolch wieder unter ihre Jacke.

X
    Statt der geplanten zehn Stunden dauerte die Fahrt nach Djelfa das Doppelte. Solange die Eisenbahn den Tell-Atlas überquerte, gab es vor dem Fenster noch eine atemberaubende Kulisse zu bewundern. Tief unten brauste, von hohen Felsmauern eingeschlossen, ein wilder Fluss. Ein Viadukt führte über die nächste Schlucht, und dann verschwand das dampfende Ungetüm wieder in einem der zahllosen Tunnel.
    Doch dann veränderte sich die Landschaft und wurde eintöniger. Rechter Hand erstreckte sich ein See in herrlichem Türkisblau. Désirée versenkte sich in dieses Panorama. Es würde wohl für lange Zeit der letzte Anblick einer geschlossenen Wasserfläche sein.
    Südlich des Tell-Atlas schloss sich eine breite Hochebene an. Sie trug einen steppenartigen Charakter. Verschiedene Ansiedlungen, Dörfer, Beduinenzelte, Felder, Esel, Ziegen, Kamele ... Irgendwann fielen Désirée die Augen zu.
    Am nächsten Morgen erreichten sie Djelfa. Der Abschied von den beiden Mitreisenden fiel entsprechend frostig aus. Zudem unterband Madame Chabrol jeglichen noch so flüchtigen Anflug von Bewunderung bei ihrem Gatten, den er für Désirée im Stillen hegte. Gleichzeitig bedauerte er diese sinnlose Verschwendung eines so liebreizenden, jugendlichen Lebens an die todbringende Wüste. Er war sich sicher, dass Désirées Unternehmen unmöglich von Erfolg gekrönt sein konnte.
    Désirée machte sich über Monsieur Chabrols Überlegungen keine weiteren Gedanken. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt den

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