Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
Vom Netzwerk:
gewöhnte sich auch Désirées Magen wieder an feste Nahrung. Die Wüstenküche war nicht sonderlich abwechslungsreich, doch selbst das im Sand gebackene Fladenbrot oder die einfachen Hirseklößchen mit Zwiebeln und getrockneten Tomaten erschienen ihr wie seltene Köstlichkeiten. Manchmal gab es sogar in dünne Scheiben geschnittenes Fleisch, dessen Herkunft sie nicht unbedingt wissen wollte.
    Die junge Frau schien sich zu freuen, dass Désirée langsam wieder zu Kräften kam. Désirée versuchte eine Konversation. Sie deutete auf sich selbst. »Désirée«, sagte sie.
    Die Frau schien sofort zu verstehen, lächelte und deutete auf sich. »Tedest.«
    »Tedest«, wiederholte Désirée leise. Dann hob sie ein Stück des Fladenbrots hoch, das sie gerade aß.
    »Tagella«, sagte Tedest.
    »Tagella«, wiederholte Désirée.
    Tedest freute sich wie ein Kind und lachte. Sie reichte eine Schale mit Datteln. »Teyne.«
    Désirée tauchte das Fladenbrot in bröckeligen Ziegenkäse.
    »Takammart«, erklärte Tedest.
    Doch dann richtete Désirée sich auf. Sie deutete zunächst auf sich. »Désirée.« Dann zeigte sie auf Tedest. »Tedest.« Ihr Finger zeigte auf den geöffneten Eingang des Zeltes. Sie zog die Decke vor ihr Gesicht und deutete die Verschleierung der Männer an. Ihr Blick blieb fragend auf Tedest.
    Einen Augenblick zögerte sie. »Arkani«, sagte sie dann.
    »Arkani«, wiederholte Désirée. Es musste sein Name sein. Doch wer war er?
    »Arkani?«
    Tedest deutete auf die ältere Frau, die draußen am Feuer Brot buk. »Aissa.« Das schien ihr Name zu sein. »Aissa – Arkani.«
    Aissa war also Arkanis Mutter. So viel hatte Désirée verstanden.
    »Aissa – Arkani – Tedest.«
    Langsam begriff Désirée. Tedest musste Arkanis Frau sein. Sie wusste nicht, warum ihr der Gedanke missfiel. Tedest lächelte wieder. »Arkani amekkar.«
    Weiß der Teufel, was amekkar bedeutete. Wahrscheinlich Ehemann. Aber es war auch egal. In Arkanis Hand lag es offensichtlich, was mit Désirée geschehen würde. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, sich mit seiner Mutter und seiner Ehefrau gut zu stellen. Vielleicht konnten sie ihr Schicksal ein wenig erträglicher gestalten.
    Als die Hitze des Tages abnahm, winkte Tedest ihr zu, sich zu erheben. Auf sie gestützt, wankte Désirée aus dem Zelt und ließ sich auf einem ausgerollten Teppich nieder. Mit dem Rücken lehnte sie sich gegen ein Gerüst aus dürren Ästen. Ihre Augen waren an diese Helligkeit nicht gewöhnt, obwohl sich der Tag bereits seinem Ende zuneigte. Sie blinzelte in den Sonnenuntergang. Die wie Wattefasern zerzausten dünnen Wolken am blassblauen Himmel färbten sich in den Strahlen der untergehenden Sonne rosarot, der Kamm der Dünen erstrahlte in tiefem Gold. Die Palmen der Oase schüttelten ihre Wedel raschelnd im Wind, und von fern drang das Rufen der Frauen, die die Esel heimtrieben. Alles strahlte eine fast unwirklich anmutende Ruhe aus.
    Die Schwäche hatte Désirée wieder ergriffen, aber sie wollte diesen Sonnenuntergang genießen, als sei es der letzte, den sie erlebten sollte. Sie badete in dem rotgoldenen Licht und schloss in Frieden mit sich selbst die Augen.

XIV
    Désirée genas nur sehr langsam. Das lag beileibe nicht an der aufopferungsvollen Pflege der beiden Tuareg-Frauen. Es war nicht nur ein heftiger Sonnenbrand, der ihre Haut beschädigt hatte und sie nun in großen Flatschen abpellen ließ. Zum Glück gab es im Zelt keinen Spiegel. Aber sie spürte es, wenn sie mit den Fingerspitzen darüberstrich. Immer wieder packten die Frauen ihr saure Milch, vermengt mit Ziegenfett, auf das Gesicht. Es stank erbärmlich, aber für eine Weile nahm es den Spannungsschmerz. Schlimmer waren die fast unerträglichen Kopfschmerzen. Und zu Désirées Verwunderung war auch ihr rechter Fuß verbunden.
    Abends, wenn die Sonne sich dem Kamm der Dünen zuneigte, halfen sie Désirée vor das Zelt. Noch atmete der Sand die Hitze des Tages aus. Aber die beschauliche Betriebsamkeit des kleinen Dorfes nahm ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch und lenkte sie von ihren Schmerzen ab. Ihr Interesse an ihrer Umgebung kehrte wieder zurück, und sie beobachtete das Treiben im Lager.
    Allerdings verwirrten die Eindrücke sie mehr, als dass sie Klarheit schufen. Es gab keine festen Häuser, sondern nur flache Zelte. In jedem Zelt lebte mindestens eine Frau, meist waren es ganze Familien, aber nicht in jedem Zelt lebte ein Mann. Häufig besuchten sich die Menschen

Weitere Kostenlose Bücher