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Im Bann des roten Mondes

Im Bann des roten Mondes

Titel: Im Bann des roten Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Gleichzeitig sprang sie auf. Sie musste sich beeilen, bevor die Tuareg wach wurden und ihre Flucht bemerkten. Sie hastete durch das Tal zwischen den beiden Dünen, dann wählte sie einen Durchgang, der wie eine flache Schneise zwei Dünen voneinander trennte. Doch kaum hatte sie diese Düne hinter sich, erhob sich schon die nächste vor ihr. Es waren immer die windabgewandten Seiten, die besonders steil waren.
    Lief sie überhaupt in die richtige Richtung? Die Dünen waren hart wie Stein, aber ihre Oberfläche rutschig wie Glatteis. Ihre Füße verloren den Halt, sie krabbelte verzweifelt wie eine Ameise auf dem tückischen Grund, ohne vorwärts zu kommen. Trotz der kühlen Nachtluft wurde ihr heiß, das Blut dröhnte in ihren Ohren, in ihren Schläfen hämmerte es. Jedes Sandkorn auf ihrer Haut schmerzte, als wäre es aus glühendem Eisen. Sie bekam das bedrückende Gefühl nicht los, dass die Geister der Nacht sie verfolgten. Gehetzt blickte sie sich um – und erstarrte. Eine dunkle Gestalt stand unterhalb der Düne. Désirées Gedanken überschlugen sich. Wie war das möglich? Wie konnte der Krieger ihr folgen? Ohne Kamel, nur zu Fuß!
    Sie verdoppelte ihre Anstrengung, den Kamm der Düne zu erreichen, mit dem Ergebnis, dass sie auf dem Bauch landete. Langsam und unaufhörlich glitt sie den steilen Hang nach unten.
    Es musste der Anführer der Krieger sein. Irgendwie erkannte sie ihn an seiner hoheitsvollen Haltung. Er stand einfach da und wartete auf sie. Sie glitt ihm genau vor die Füße.
    Enttäuschung, Scham und Wut stiegen in ihr auf. Als er so vor ihr stand, riesig, wie ein dunkles Monument gegen den Himmel, überkam sie auch Angst. Er war eine übermächtige Drohung, verdunkelte die Sterne und grub sich in ihre Seele ein. Eine ganze Weile stand er so da und blickte auf sie herab. In der Dunkelheit konnte sie seine Augen nicht sehen, und darüber war sie froh. Wahrscheinlich hätte sie dieser Blick noch zusätzlich erschüttert. Er kostete offensichtlich ihre Demütigung aus. Dann bewegte er nur einen Fuß nach vorn und presste ihn auf ihr Handgelenk. Der Sand darunter grub sich schmerzhaft in ihre Haut ein.
    »Ich habe wirklich geglaubt, dass du eine mutige Frau bist. Ich habe mich geirrt.«
    Désirée erwartete etwas – etwas Schreckliches. Sie kniff die Augen zusammen. Er würde sie treten, schlagen, vielleicht sogar töten. Sie war nur eine Belastung für die Tuareg. Was sollten sie auch mit ihr anfangen? Sie würden sie im Sand verscharren, und irgendwann, wenn der Wind die Düne weiterwandern ließ, würden ihre bleichen Knochen wieder zu Tage treten.
    Tränen stiegen in ihr auf und bahnten sich ihren Weg. Sie schluchzte verzweifelt auf. Sie hatte nicht die Absicht, damit sein Herz zu rühren. Nein, sie war überzeugt, dass diese unheimlichen Wüstenkrieger ohnehin keines besaßen. Das, was sie in Algier über die Tuareg gehört hatte, war schrecklich genug. Räuber, Wegelagerer, Mörder, Sklavenhalter, Wüstenplage, blaue Dämonen ohne Gesicht.
    Er beugte sich zu ihr herab, und Désirée presste die Augen zusammen. Sie wartete darauf, dass er seinen blitzenden Dolch aus den Falten seines Gewandes zog und ihn ihr kurzerhand zwischen die Rippen stach. Vielleicht war es auch besser so, dann hatten die Qual und die Ungewissheit ein Ende. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, ob ihr Vater vielleicht auf die gleiche Weise ums Leben gekommen war. Dann spürte sie zu ihrer Überraschung, wie er sie auf seine Arme hob. Scheinbar mühelos trug er sie zurück zum Lager. Dort standen die anderen Krieger. Désirée hörte ihre Stimmen und war sich nicht sicher, ob sie sprachen oder lachten. In einem Anfall von Verzweiflung krallte sie ihre Finger in die blaue Gandura des Anführers und fing hemmungslos an zu weinen.
    »In der Wüste sollte man sparsam mit Wasser umgehen«, hörte sie ihn sagen. Sein Französisch besaß einen kehligen Akzent, der Désirée eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Sie wollte immer noch sterben. Am liebsten in seinen Armen.

XIII
    Aber so schnell starb es sich nicht einmal in der Wüste. Der Anführer der Krieger ließ sie sacht auf ihre Decken gleiten und gab irgendwelche Befehle. Désirée hielt die Augen immer noch geschlossen. Ihr war unsagbar elend zumute. Ihre Haut spannte und schmerzte, das Feuer in ihrem Körper loderte, sämtliche Kraft schien daraus entschwunden zu sein. Ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander, während ihr immer heißer wurde.
    Die Stimme

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