Im Bann des roten Mondes
Wüste.«
»Du kennst aber nicht dieses Gebirge. Und du kennst meinen Vater nicht!« Sie schluchzte auf. »Du brauchst mir nicht zu helfen, ich gehe allein!« Und ohne sich nach ihm umzudrehen, stapfte sie los.
»Désirée! So warte doch! Es ist gefährlich!«
»Ich fürchte deine Geister nicht! Es gibt gar keine Geister! Und mir geschieht nichts!«
Unbeirrt lief sie weiter, direkt in ein schmales Felstal hinein. Arkani lief ihr nach und war wütend auf sich selbst. Er hatte nicht mit so viel Starrsinn und Unvernunft gerechnet. Zu seiner Furcht vor den Geisterwesen kam noch die Sorge um Désirée. Schon ein herabstürzender Stein könnte ihr zum Verhängnis werden.
Er musste schnell laufen, um sie einzuholen. Dabei war ihm jede Hetze zuwider. Es war drückend heiß. Gleichzeitig erreichten sie das Ende der Schlucht. Arkani wollte Désirée zurückhalten, aber sie blieb von selbst abrupt stehen. Die Schlucht weitete sich vor ihnen und gab den Blick auf eine Höhle frei. Und vor dem Eingang wehte sacht ein ausgeblichenes Kamelfell im Wind.
XXIX
»Vater!« Désirée presste die Fäuste vor ihre Brust. »Vater!« Ehe Arkani sie zurückhalten konnte, rannte sie los.
»Warte, Désirée! Bleib stehen!« Er zog sein Schwert und hielt es kampfbereit in die Höhe.
Er spürte eine Gefahr, doch wo war sie? Wie sah sie aus?
Sie war fast am Höhleneingang angekommen, als ein lauter Knall die heiße Luft durchschnitt. Gleich darauf ertönte ein zweiter. Es waren ohne Zweifel Schüsse!
Mitten im Lauf warf sich Désirée auf den Boden. »Nicht schießen! Nicht schießen!«, rief sie.
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann wurde sie von einem weiteren Schuss zerfetzt, dem ein ohrenbetäubendes Lachen folgte. In dem weiten Talkessel verstärkte es sich durch das Echo, prallte von den Felswänden ab, vervielfachte sich und schwirrte um ihre Köpfe. Arkani wirbelte herum, kämpfte gegen die unsichtbaren Dämonen, hieb mit dem Schwert durch die Luft, doch das irre Lachen war überall. Es umsprang ihn wie ein Teufel, es löste sich im Nichts auf, um sich an der nächsten Felswand wieder Kraft zu holen.
Mit aufgerissenen Augen starrte Désirée auf den wild um sich schlagenden Arkani. Doch da war nichts, nur dieses grässliche Lachen.
Langsam rappelte sie sich auf und hob die Hände. »Vater! Ich bin es, Désirée, deine Tochter! Nicht schießen! Ich bin Désirée. Und das ist Arkani, mein Freund. Bitte leg das Gewehr weg!« Sie suchte mit den Augen den Talkessel ab, aber sie konnte ihn nicht entdecken. In einer Senke standen mehrere uralte, archaisch anmutende Bäume.
»Ho-ho, du elender Dämon. Ich weiß, dass du mich narren willst. Sendest du mir Trugbilder? Ich habe gar keine Tochter! Du kannst mich nicht fangen. Komm doch, ich werde dich durchlöchern wie dieses Kamelfell!« Wieder peitschten Schüsse.
»Vater! So höre doch! Ich bin kein Trugbild. Ich bin es, Désirée!«
Eine Weile herrschte Schweigen. Langsam, Schritt für Schritt kam Arkani näher und drängte Désirée gegen die Felswand.
»Wir stehen in seiner Schusslinie«, flüsterte er. »Er muss sich in den Kronen der Bäume verstecken.«
»In die Höhle, wir verstecken uns in der Höhle«, schlug sie mit zitternder Stimme vor.
»Nein, da sitzen wir in der Falle. Er hat uns genau in der Sicht.«
»Dann gehe ich zu ihm. Vielleicht erkennt er mich aus dieser Entfernung nicht.«
Arkani schwieg. Mit der Linken packte er Désirées Hand, um sie an ihrem Vorhaben zu hindern, während seine Rechte immer noch drohend das Schwert erhoben hielt. Doch er wusste, dass diese Waffe sinnlos war in dieser Situation.
»Bleib hier. Er erkennt dich überhaupt nicht.«
»Aber wieso? Ich bin doch seine Tochter!«
»Désirée, ich glaube, die Geister haben seine Seele geraubt.«
Mit einem Ruck riss sie ihren Arm aus seinem Griff. »Du bist von Sinnen, Arkani. Ich bin tausende von Meilen gereist, um meinen Vater zu suchen. Ich habe schreckliche Gefahren auf mich genommen. Jetzt, wo ich ihn gefunden habe, darf ich ihn nicht einmal in die Arme schließen? Natürlich erwartet er mich nicht hier. Wir hatten nicht vereinbart, dass ich ihm folge.«
»Désirée, du gibst dich einer Illusion hin. Ja, er lebt noch. Aber es ist nur sein Körper, der existiert. Sein Geist hat sich verwirrt. Die Dschinnen haben ihm die Sinne geraubt.«
Ohne Arkani eines Blickes zu würdigen, lief Désirée los, auf die alten Akazienbäume zu.
»Bleib stehen, du Dämon«, schallte es aus dem
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