Im Bann des stolzen Wuestenprinzen
war klar gewesen, dass er es lieber nicht tun sollte. Dennoch hatte er sie geküsst und war weitergegangen, als sie seinen Kuss erwiderte.
Ihr gehauchtes „Bitte“ hatte er als Einladung in die Welt der sinnlichen Freuden verstanden, war er doch sicher, sie würde das gleiche glühende Verlangen wie er verspüren, ein Verlangen, das in seinem Verstand einen Kurzschluss ausgelöst hatte.
Schuldgefühl schnitt wie ein rostiges Messer durch ihn hindurch.
Er war bei den Felsen angekommen, sah zum Horizont, wo der erste Hauch des Morgenrots über Tarakhar zog. Er wünschte, sie wären jetzt dort. Dort könnte Cassie sich von ihrem traumatischen Erlebnis erholen. Sie bräuchte die Unterkunft nicht mit einem Mann zu teilen, der sich trotz aller Bemühungen um Beherrschung mehr genommen hatte als erlaubt.
Übelkeit stieg in ihm auf, wenn er sich vorstellte, was er fast getan hätte. Und er hatte ihr versprochen, sie sei bei ihm sicher.
Er stieß ein bitteres Lachen aus. Sicher? Die Panik in ihrem Blick besagte etwas ganz anderes.
Noch zwei Tage sollte der Besuch hier dauern. Zwei Tage voller Angst für Cassie, ob er sich ihr wieder aufdrängen würde. Zwei Tage, in denen er keinen Schlaf finden würde, aus Angst, in einer Situation aufzuwachen, in der er sich nicht kontrollieren konnte.
Unmöglich.
Mit energischen Schritten ging Amir zum Lager zurück. Mit etwas mehr Mühe würde er die Verhandlungen in einem Tag abschließen können. Dann würden sie nur noch eine Nacht zusammen in dem Zelt verbringen müssen. Und eine Nacht wäre sicherlich noch machbar, oder?
Cassie lag in dem großen Bett, ohne schlafen zu können. Seit dem Morgengrauen hatte sie Amir nicht gesehen.
Musik und Gelächter drangen durch die Nachtluft zu ihr – im Hauptzelt fand eine Feier statt. Für den Ehrengast.
Warum tat es so weh, dass Amir sie den ganzen Tag gemieden hatte?
Es drängte sie, ihm zu erklären. Es war nicht seine Schuld. Die leichte Berührung seiner Lippen auf ihrem Mund war eine Einladung gewesen, keine Forderung. Und sie war es gewesen, die ihn um mehr gebeten hatte. Weil sie dachte, sie würde mehr wollen.
Frustriert schlug Cassie auf das Kissen ein. Sie musste es ihm erklären, musste einfach. Sie wusste, was sie wollte.
Sie wollte Amir.
Tagelang hatte sie versucht, sich davon zu überzeugen, dass es nur an den bizarren Umständen lag. Dass er, wenn sie erst dieses Lager hinter sich lassen konnten, keine Wirkung mehr auf sie ausübte. Doch das stimmte nicht. Sie hatte nur Angst gehabt, sich der Wahrheit zu stellen.
Und warum auch sollte sie ihn nicht begehren? Er war ein starker Mann, sah faszinierend aus und besaß Anstand. Er respektierte sie. Nur war ihre Reaktion heute Morgen alles andere als normal gewesen. Sie hatte ihn um mehr gebeten, und als er ihre Bitte erfüllen wollte, war sie wegen eines Vorfalls aus ihrer Teenagerzeit in Panik ausgebrochen.
Curtis Bevan hatte sie damals nicht vergewaltigt, aber sie fühlte sich durch seine Berührungen beschmutzt. Beschmutzt von seinen ekeligen Grapschereien und seinen anzüglichen Bemerkungen. Cassie war heilfroh gewesen, wieder ins Internat zurückzukehren, weg von dem Mann, der sich einbildete, weil er für die Mutter zahlte, hätte er auch Rechte auf die Tochter.
Dieser Vorfall hatte sie mehr mitgenommen, als sie sich bisher hatte eingestehen wollen. War sie nur unberührt, weil sie noch nicht dem richtigen Mann begegnet war … oder weil die emotionalen Narben zu tief saßen?
Cassie hatte sich immer für eine Kämpferin gehalten. Hänselei, Boshaftigkeit und Ausgrenzung waren von ihr verdrängt worden. Sie hatte die Vernachlässigung durch ihre Mutter und das Desinteresse ihres Vaters ertragen und sich stattdessen auf ihre Karriere konzentriert. Als ihre Mutter gestorben war, spendete sie alle Wertgegenstände, sie wollte nichts davon behalten, nicht einmal die Diamantbrosche, auf die ihre Mutter so stolz gewesen war. Wie gut sie sich gefühlt hatte, als sie die Tür der gemeinnützigen Organisation hinter sich zugezogen hatte und wieder in den Sonnenschein hinausgetreten war. Endlich lag die Vergangenheit hinter ihr, endlich war sie frei.
Doch sie hatte sich geirrt, sie war nicht frei.
Aber sie wollte frei sein. Und sie wollte Amir.
Erst nach Mitternacht kehrte Amir in das Zelt zurück. Er hatte es so lange wie möglich hinausgezögert, auch wenn das Fest keineswegs nach seinem Geschmack gewesen war.
Eine einzelne Lampe brannte, und sein Blick fiel
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