Im Bann des stolzen Wuestenprinzen
aufhielten, auf mich auf.“
„Und die übrige Zeit?“
Amir hob den Blick, und Cassie war entsetzt über die Leere, die in seinen Augen stand. „Die übrige Zeit blieb ich mir selbst überlassen.“
Cassie krümmte sich leicht, und Amir nahm wieder ihre Hand, streichelte sinnlich ihre Finger, um sie abzulenken. Es funktionierte nicht, auch wenn tief in ihrem Innern der altbekannte Puls einsetzte, der immer zu schlagen begann, wenn Amir sie berührte.
„Ich weiß noch, dass ich eines Morgens in einem Hotelzimmer aufwachte, in dem ein Zimmermädchen die Betten machte. Sie sprach eine Sprache, die ich noch nie gehört hatte. Es stellte sich dann heraus, dass meine Eltern die Einladung zu einem Wochenende in den Schweizer Alpen angenommen hatten. Sie waren so spontan losgefahren, dass sie ihren Sohn in Rio de Janeiro vergessen hatten.“
„Oh Amir!“ Sie drückte seine Finger, legte die andere Hand auf seine, so als könnte sie damit den Schmerz nachträglich mildern. Sie war mit dem Gefühl aufgewachsen, nie von ihren Eltern gewollt gewesen zu sein. Wie oft hatte sie sich nicht von ihrer Mutter anhören müssen, dass sie ihr das Leben ruiniert hätte? Aber ihre Mutter hatte die Tochter nie einfach irgendwo vergessen! „Wie alt warst du damals?“
„Ich weiß nicht … Drei, vielleicht vier.“ Er strich ihr sanft über die Wange, als er ihre entrüstete Miene sah. „Ich hab’s überlebt. Und nach ihrem Tod bin ich dann zu meinem Onkel gekommen.“
Zu einem Onkel, der den Neffen mit Argusaugen beobachtet hatte, weil er jeden Moment damit rechnete, dass der Junge sich als ebenso schwach erweisen würde wie sein Vater. Was für ein Leben war das für ein Kind? Cassies Magen zog sich zusammen.
„Nachdem ich vom ausschweifenden Nachtleben genug hatte, kam ich hierher zurück“, erzählte Amir weiter. „Nicht, weil man mich zurückbeordert hätte, sondern weil ich nicht so enden wollte wie mein Vater. Und ich wusste, dass ich das hier wollte – dieses Land, dieses Volk. Ich brauchte ein Ziel. Ich änderte mein Leben und fand meinen Platz. Ich brachte alle Zweifler zum Schweigen und erwies mich als so würdig, dass der Ältestenrat mich zum Regenten bestimmte anstatt meinen älteren Cousin. Das hier ist mein Schicksal. Meine Söhne werden bei einem Vater aufwachsen, auf den sie stolz sein können. Und mit einer Mutter, die überall respektiert wird.“
Er sagte es mit einer Überzeugung, auf die Cassie fast neidisch war. Für einen Moment erlaubte sie sich die Vorstellung, sie möge es sein, die er sah, wenn er von seiner Frau und der Mutter seiner Kinder sprach. Das wäre einfach wunderbar …
Nein, solche Gedanken waren gefährlich! Amir wusste genau, was er wollte, und hatte alles bereits vorausgeplant. Cassie hingegen wusste nur, was sie nicht wollte – nämlich ein Leben ohne Respekt und ohne freie Wahl. Ein Leben, das abhängig war von den Launen eines Mannes, der sie nicht liebte.
Immerhin hatte sie die ersten Schritte gemacht hin zu einer positiveren Einstellung. Durch Amirs Hilfe waren die Dämonen der Angst vertrieben worden, und sie genoss jeden Moment mit diesem starken, ehrenhaften und zärtlichen Mann.
Außerdem freute sie sich auf die neue Arbeit. Wenn sie das Leben der Menschen hier verbessern konnte, dann würde sie vielleicht auch ihrem Leben mehr Sinn geben.
Was könnte sie sich mehr wünschen?
8. KAPITEL
„Da wäre noch eine Sache, Hoheit …“
Amir hörte das Zögern in Faruqs Stimme. Sein Assistent war offensichtlich nervös und fühlte sich alles andere als wohl. „Mit Bhutran läuft doch alles wie vorgesehen, oder?“ Seit Wochen waren sie jetzt wieder aus den Bergen zurück, und Amirs Ungeduld wuchs. Er wollte die offene Rechnung mit Mustafa begleichen. Das, was Cassie zugestoßen war, verlangte nach Wiedergutmachung.
„Ja, mit der Situation wird in den nächsten Tagen umgegangen.“
„Situation“ war gleichbedeutend mit „Mustafa“. Denn trotz aller Verhandlungen und Zusagen hatten die Überfälle des aufrührerischen Stammesführers auf tarakharischem Staatsgebiet nicht aufgehört.
Wenn nötig, würde Amir dem Treiben selbst ein Ende setzen und den Unruhestifter in den Bergen aus seinem komfortablen Horst werfen. Im Moment jedoch sah es nicht so aus, als ob es dazu kommen musste. Bhutrans Regierung war darauf bedacht, Frieden mit dem reichen Nachbarn zu halten, und holte zum Schlag gegen Mustafa und seinesgleichen aus. Amir hatte den zuständigen Behörden
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