Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
elegant und doch handfest, anmutig, aber kraftvoll, und selbst in der Jeans machte er den Eindruck, reich wie Krösus zu sein.
Ich gebe zu, er faszinierte mich. Seine Begleiterin trug einen schicken kurzen Rock und eine Seidenbluse mit geschmackvollen Accessoires und war tipptopp hergerichtet bis zu den lackierten Fußnägeln, trotzdem war »schlicht«das netteste Attribut, das man ihr zuschreiben konnte. Aber er schien sie zu vergöttern und konnte die Hände nicht von ihr lassen.
Und plötzlich hatte ich wieder eine dieser Doppelvisionen.
Ich hatte gerade den letzten Bissen meines Cheeseburgers runtergeschluckt und lehnte mich in meiner Nische zurück, um meine Pommes richtig zu genießen (ich liebe Pommes, zumindest habe ich sie damals geliebt; ich hatte das Ketchup mit Salz und Pfeffer kräftig gewürzt und zog eine Fritte nach der anderen durch die Tunke, ehe ich sie aß), als mir plötzlich die Gesten des Traumtypen eher schmierig als charmant und sein Gesicht hager statt gut geschnitten erschienen.
Und mit einem Mal war er für den Bruchteil einer Sekunde ganz verschwunden und etwas anderes saß auf seinem Stuhl. Alles ging so schnell, dass ich nicht einmal genau sehen konnte, was da seinen Platz eingenommen hatte. Ich wusste nur, dass er es in diesem einen kurzen Moment nicht gewesen war.
Ich rieb mir die Augen und sah wieder hin. Der blonde Sex-Gott war wieder da, strich seiner Begleiterin über die Wange und zeichnete mit den Fingern ihre Lippen nach – mit scharfen gelben Krallen und einer Hand, die aussah, als wäre eine dünne Schicht schwärender grauer Haut über Knochen gespannt!
Ich schüttelte vehement den Kopf, schlug die Hände vors Gesicht und rieb mir wieder die Augen, diesmal aber richtig, so dass meine Wimperntusche verschmierte. Ich hatte zum Essen zwei Bier getrunken und vertrug normalerweise drei oder vier, ehe ich leicht beduselt war, aber irisches Guinness hatte offenbar mehr Alkoholgehalt als unser Bier zu Hause. »Wenn ich die Augen wieder aufmache«, sagteich mir, »sehe ich nur das, was wirklich da ist.« Nämlich einen Mann, keine Halluzination.
Letzteres hätte ich wahrscheinlich genauer ausführen sollen, denn als ich die Augen öffnete, hätte ich um ein Haar einen Schrei ausgestoßen. Der Sex-Gott war weg und die mausgraue Frau drückte den Mund in die Handfläche eines Monsters, das aus einem Horrorfilm entkommen sein könnte. Und die Frau küsste dieses Ungeheuer!
Es war dürr, ausgemergelt wie ein Toter und groß – ich spreche hier von mindestens zwei Metern siebzig. Graue, krätzige, mit Eitergeschwüren übersäte Haut von Kopf bis Fuß. Das Ding war in gewisser Weise menschlich, weil es Arme, Beine und einen Kopf hatte. Damit endete die Ähnlichkeit aber auch schon. Das Gesicht war zweimal so groß wie ein Menschenkopf, lang und schmal – nicht breiter als meine Handfläche. Den schwarzen Augen fehlte die Iris und das Weiße. Das Monster sagte etwas zu der Frau und ich sah, dass die Mundhöhle – der Mund nahm die gesamte untere Hälfte dieser grässlichen Fratze ein – nicht rosa war. Die Zunge und das Zahnfleisch waren so grau und eitrig wie das restliche faulige Fleisch. Statt Lippen sah ich Doppelreihen spitzer Haifischzähne. Kurz gesagt, das Ding war ein widerliches Scheusal.
Und dann war der Sex-Gott wieder da und sah mich an. Durchdringend. Er unterhielt sich nicht mehr mit der Frau, sondern starrte nur mich an. Und er wirkte keineswegs erfreut.
Ich blinzelte. Mir ist schleierhaft, woher ich in diesem kritischen Augenblick die Kenntnis nahm – das Wissen schien irgendwie in meinen Zellen gespeichert zu sein. Mein Bewusstsein spaltete sich sozusagen in unterschiedliche Parteien. Die eine hielt eisern daran fest, dass das, was ich gerade gesehen hatte, nicht real war; die andere forderte:Spring auf, pack deine Handtasche, wirf ein bisschen Geld auf den Tisch und sieh zu, dass du so schnell wie möglich Land gewinnst. Beide Vorschläge erschienen selbst mir ein wenig hysterisch.
Die dritte Partei blieb ruhig und gelassen und plädierte eiskalt dafür, alles nur Menschenmögliche zu unternehmen, um dieses widerliche Ding, das sich als Schönling maskiert hatte, zu überzeugen, dass ich nicht wahrnehmen könne, was sich hinter dieser blendenden Fassade verbarg – anderenfalls wäre ich dem Tode geweiht.
Dieser Stimme gehorchte ich, ohne zu zögern. Ich brachte mich dazu, das Ding anzulächeln und senkte schnell den Kopf, als würde es mich
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