Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
dunklen Mantel, der ihm fast bis zu den Knöcheln reichte, ein blutrot schimmerndes Hemd und eine dunkle Hose. Er strahlte lässige europäische Eleganz und Arroganz aus. Sein kinnlanges Haar fiel ihm ins Gesicht. Mir war nie aufgefallen, dass es so lang war, weil er es immer mit Gel aus dem Gesicht gekämmt hatte. Er hatte das Gesicht dafür.
Am Morgen war ich fast überzeugt, nur geträumt zu haben, dass Barrons vor der Haustür gestanden hatte.
Am Donnerstag traf ich mich mit Inspector O’Duffy, einem übergewichtigen, kahlköpfigen Mann mit rotem Gesicht.Seine Hose war ihm unter den Bauch gerutscht, der die Hemdknöpfe wegzusprengen drohte. Er war Brite, kein Ire, und dafür war ich dankbar, denn mit seiner Aussprache hatte ich keinerlei Schwierigkeiten.
Unglücklicherweise erwies sich die Unterhaltung als weitaus deprimierender als die mit Alinas Kommilitonen. Dabei schien anfangs alles ganz gut zu laufen. Obwohl er mir klarmachte, dass seine persönlichen Notizen den Fall betreffend nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, machte er mir eine (wieder eine) Kopie von seinem offiziellen Bericht und wiederholte geduldig all das, was er meinem Vater bereits am Telefon gesagt hatte. Ja, sie hatten die Professoren und Studenten befragt. Nein, niemand wusste, was Alina passiert war. Ja, einige hatten einen Freund erwähnt, aber er konnte nicht ausfindig gemacht werden. Angeblich sei er vermögend, älter, kultiviert, kein Ire – mehr hatten sie nicht über ihn in Erfahrung bringen können.
Ich spielte ihm Alinas Nachricht vor. Er hörte sie sich zweimal an, dann lehnte er sich zurück und verschränkte die Finger unter dem Kinn. »Hat Ihre Schwester Drogen genommen, Miss Lane?«
Ich blinzelte. »Drogen? Nein, Sir, Alina hatte nichts mit Drogen zu tun.«
Er bedachte mich mit dem Blick, den ich von Erwachsenen kannte, die sich einbildeten, man wolle sich mit Notlügen herausreden, aber Nachsicht üben wollten. Dieser Blick kotzte mich ohne Ende an, insbesondere wenn der Erwachsene auf dem Holzweg war. Aber Erwachsenen konnte man nichts ausreden, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatten. »Der Verfall, den die anderen Studenten beschrieben haben, entspricht im Grunde der klassischen Abwärtsspirale bei Drogenmissbrauch.« Er nahm die Akte und las daraus vor. »Das Subjekt wurde zunehmend nervös,gereizt, fahrig, zeigte sich beinahe paranoid. Signifikanter Gewichtsverlust, sichtliche Erschöpfungszustände.« Er sah mich erwartungsvoll mit hochgezogenen Augenbrauen an, als wollte er sagen: Sehen Sie nicht, womit wir es hier zu tun haben?
Ich starrte ihn eisig an – das Wort »Subjekt« ging mir gründlich gegen den Strich. »Das heißt noch lange nicht, dass sie Drogen genommen hat. Vielmehr schließe ich daraus, dass sie in Gefahr war.«
»Dennoch hat Sie nie mit Ihnen oder Ihren Eltern über diese Gefahr gesprochen, hab ich recht? Sie soll über Monate geschwiegen haben? Sie sagten selbst, dass sie sich sehr nahegestanden haben. Hätte sich Ihre Schwester Ihnen nicht anvertraut, wenn ihr Leben in Gefahr gewesen wäre? Tut mir leid, Miss Lane, aber es ist viel wahrscheinlicher, dass sie ihren Drogenmissbrauch verheimlicht hat. Sie hat nie ein Wort über irgendwelche Bedrohungen verlauten lassen. Wir beobachten ein solches Verhalten ständig bei Jugendlichen, die mit Drogen in Berührung kommen.«
»Sie sagte, dass sie mich schützen wollte«, rief ich ihm ins Gedächtnis. »Deshalb hat sie nicht davon gesprochen.«
»Wovor wollte sie Sie schützen?«
»Das weiß ich nicht! Genau das müssen wir herausfinden. Können Sie die Ermittlungen nicht wiederaufnehmen und versuchen, diesen Freund ausfindig zu machen? Irgendjemand muss ihn gesehen haben. Als sie mir diese Nachricht auf die Mailbox gesprochen hat, wollte sie sich offenbar vor jemandem verstecken. Sie erschrak, als sie ihn kommen sah, und sagte, er ließe nicht zu, dass sie das Land verließ. Es ist offensichtlich, dass sie bedroht wurde!«
Er sah mir forschend ins Gesicht und seufzte tief. »Miss Lane, in den Armen Ihrer Schwester wurden Löcher gefunden, Einstichstellen von Injektionsnadeln.«
Ich sprang auf. »Meine Schwester hatte am ganzen Körper Löcher, Inspector! Nicht nur an den Armen. Im Bericht des Gerichtsmediziners steht, dass die Wunden aussahen, als wären sie von scharfen Zähnen verursacht worden!« Allerdings konnte nicht festgestellt werden, ob es sich um menschliche Zähne oder Tierfänge gehandelt hatte. »Und manche
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