Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
übersehen, wie heftig ich zitterte und dass meine Brustwarzen unter dem nassen T-Shirt hart vor Kälte waren. Ich schoss Barrons einen bösen Blick zu und wickelte mich in die Decke, statt mich draufzusetzen. Mit diesen blitzschnellen Bewegungen, die ihm eigen zu sein schienen, schnappte er eine zweite Wolldecke und beförderte sie unter meinen Hintern. Er selbst ließ sich in einen Sessel mir gegenüber nieder. Fiona schien mittlerweile gegangen zu sein und die Neonbeleuchtung im Fenster war aus. B ARRONS B OOKS AND B AUBLES hatte geschlossen. »Erzählen Sie«, forderte mich Barrons auf.
Ich berichtete, was mir widerfahren war. Wieder stellte er mir eine Menge Fragen und wollte jedes Detail wissen. Diesmal war er zufriedener mit meinen Beobachtungen. Selbst ich spürte, dass sie ziemlich genau waren; aber wenn man dem Tod zum ersten Mal begegnet, dann ist man unwillkürlich schwer beeindruckt.
»Nicht dem Tod«, korrigierte er mich. »Dem Grauen Mann.«
»Dem Grauen Mann?«
»Ich wusste nicht, dass er hier ist«, murmelte er. »Ich hatte keine Ahnung, dass es so weit geht.« Er rieb sich dasKinn und schien keineswegs erfreut über den Verlauf der Ereignisse zu sein.
Ich zwinkerte. »Was haben Sie da an der Hand, Barrons? Blut?«
Er sah erst mich, dann seine Hand an. »Ach, ja«, sagte er, als ob es ihm erst jetzt wieder einfiele. »Ich hab einen Spaziergang gemacht und einen schwer verletzten Hund auf der Straße gefunden. Ich habe ihn zum Haus seines Besitzers getragen, damit er dort sterben kann.«
»Oh.« Wunder über Wunder. Mir erschien Barrons vielmehr der Typ zu sein, der ein Tier an Ort und Stelle von seinem Leid erlöste – vielleicht mit einem kräftigen Genickschlag oder einem gezielten Tritt – und Barmherzigkeit außer Acht ließ. Später sollte ich die Erfahrung machen, dass mich meine Menschenkenntnis nicht getrogen hatte – diesen Hund hatte es gar nicht gegeben. Das Blut an seiner Hand war Menschenblut. »Also, was ist dieser Graue Mann?«
»Das, wofür Sie ihn gehalten haben. Er sucht sich die hübschesten Menschen aus, die er finden kann, und stiehlt ihnen nach und nach die Schönheit, bis nichts mehr übrig ist.«
»Warum?«
Barrons zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Er ist ein Unseelie. Sie brauchen keine Gründe für ihr Tun. Sie sind die Finsteren. Die Legende sagt, der Graue Mann sei so hässlich, dass er selbst von seinen Artgenossen verhöhnt wird. Er stiehlt aus purem Neid und Hass anderen die Schönheit. Wie die meisten dunklen Feenwesen richtet er Zerstörung an, nur weil er imstande dazu ist.«
»Was geschieht mit den Frauen, wenn er mit ihnen fertig ist?«
»Ich schätze, die meisten begehen Selbstmord. SchöneFrauen besitzen selten die Charakterstärke, ohne ihr hübsches Gefieder weiterzuleben. Sobald man sie rupft, zerbrechen sie.« Der Blick, mit dem er mich bedachte, war Richter, Geschworener und Ankläger zugleich.
Ich gab mir keine Mühe, den Sarkasmus aus meiner Stimme zu verbannen. »So geschmeichelt ich mich fühle, dass Sie mich zu den schönen Menschen zählen, Barrons, erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen, dass ich noch am Leben bin. Ich bin dem Grauen Mann begegnet und immer noch hier – so hübsch wie eh und je, Sie Blödmann.«
Er hob eine Augenbraue. »Nun, das ist Ihre Ansicht.«
Ich war sauer. Ich beschimpfte niemals jemanden als »Blödmann«. Es war ein scheußlicher Tag. Sorry, Mom. »Was stimmt nicht mit mir? Und das soll keine Einladung sein, mir all die Charaktermängel aufzuzählen, die Sie an mir erkannt zu haben glauben.«
Er lächelte matt. »Das hab ich Ihnen neulich schon erklärt. Sie sind eine Sidhe -Seherin, Miss Lane. Sie sehen die Feenwesen. Da Sie sowohl die Lichten wie die Dunklen sehen können, scheint es, als wären Ihnen bisher nur Vertreter der unangenehmen Hälfte dieses Volkes begegnet. Wollen wir hoffen, dass sich das in der nächsten Zeit, bis ich Sie unterwiesen habe, nicht ändert. Die Seelie oder Lichtfeen sind so beunruhigend schön, wie ihre dunklen Artgenossen widerlich und hässlich sind.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich.«
»Sie sind zu mir gekommen, Miss Lane, weil Sie wissen, dass ich recht habe. Sie können in Ihrem Repertoire an hübschen Selbsttäuschungen kramen und nach Vorwänden suchen, mit deren Hilfe Sie das, was Ihnen heute Abend zu Gesicht gekommen ist, negieren können, Sie können aber auch nach Überlebensstrategien suchen. Erinnern Sie sich, was ich über die
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