Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
den beiden, der zweifellos Rocky O’Bannion war.
Ich erkannte auf Anhieb, wie er das werden konnte, was er jetzt war. O’Bannion wäre in jedem Jahrhundert ein Kämpfer, ein Anführer gewesen. Dunkle Haare, dunkle Haut, einen Meter achtzig groß und sehr muskulös unter der schwarzen Hose, dem weißen Hemd und einer edlen, weichen schwarzen Lederjacke. Er bewegte sich mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes, der sich darauf verlassen konnte, dass sein kleinster Wunsch dem Rest der Welt Befehl war. Das kurze dunkle Haar war dicht, die perfekten weißen Zähne verrieten den ehemaligen Boxer mit viel Geld. Und wenn er lächelte, wie er es jetzt zur Begrüßung tat, dann verzog er blitzschnell die Lippen und zeigte die wilde Ausgelassenheit eines Iren.
»Schön, Sie zu sehen, Barrons.«
Barrons nickte. »O’Bannion.«
»Was führt Sie heute Abend hierher?«
Barrons machte ihm Komplimente wegen des exklusiven Clubs, dann brachte er schnell die Sprache auf die Schwierigkeiten, die O’Bannion kürzlich mit einer seiner Schiffsunternehmen an den Docks hatte. Er habe etwas auf der Straße aufgeschnappt, was möglicherweise ganz nützlich sein könne, sagte Barrons.
Ich beobachtete sie, während sie sich unterhielten. Rocky O’Bannion hatte Charisma. Er war so, wie alle Männer gern wären, und die Frauen wünschten sich von jemandem wie ihm ins Bett gezerrt zu werden. Und ich meine wirklich gezerrt, denn dieser Mann würde sich nie und nimmer voneiner Frau dominieren lassen. Ich hegte keinerlei Zweifel, dass der mächtige, verwegen attraktive Ire mit dem kantigen Kinn auch ein eiskalter Killer war, nach der Art zu schließen, in der er sich anstrengte, seine Sünden mit religiösem Eifer zuzukleistern, um sich einen Weg in den Himmel zu verdienen, war er zudem ein Borderline-Psychopath.
Nichts davon minderte jedoch meine Faszination – daran konnte ich die Persönlichkeit eines Mannes messen. Ich fühlte mich abgestoßen von ihm und gleichzeitig fürchtete ich, ich würde knallrot vor Freude werden, wenn er seinen teuflischen irischen Charme auf mich richten und mich mit diesen dunklen Augen ansehen würde. Andererseits wusste ich, dass ich in diesem Fall schnellstens Reißaus nehmen sollte. Und allein aus diesem Grund jagte mir der Mann eine Höllenangst ein.
Ich war überrascht zu sehen, dass sich Barrons ebenso unbehaglich fühlte wie ich, und das bereitete mir noch mehr Sorge. Nichts brachte Jericho Barrons aus der Ruhe und dennoch merkte ich, wie angespannt er war. Auch die Linien um Mund und Augen schienen tiefer zu sein als sonst. Seine gute Laune von vorhin war verflogen und unter seiner goldenen Sonnenbräune war er sogar ein wenig blass geworden. Er war wieder der unbeugsame, hintergründige Barrons, den ich kennengelernt hatte. Obschon er einige Zentimeter größer und noch breiter als unser Gastgeber war und normalerweise mindestens ebenso viel Vitalität und Präsenz ausstrahlte, erschien er mir im Augenblick … stark reduziert. Ich hatte den eigenartigen Eindruck, dass neunundneunzig Prozent von Jericho Barrons im Grunde mit ganz anderen Dingen beschäftigt waren und nur ein Prozent stand hier neben mir und widmete O’Bannion Aufmerksamkeit.
»Eine schöne Frau, Jericho«, sagte O’Bannion und lenkteden Blick, wie ich befürchtet hatte, in meine Richtung. Und tatsächlich errötete ich. Der Boxer trat näher, umkreiste mich, musterte mich von oben bis unten und gab anerkennende Laute von sich.
»Ja, das ist sie, nicht wahr?«, sagte Barrons.
»Keine Irin«, bemerkte O’Bannion.
»Amerikanerin.«
»Katholisch?«
»Protestantin«, antwortete Barrons.
Ich zuckte nicht mit der Wimper bei dieser Lüge.
»Zu schade.« Rocky wandte sich wieder an Barrons und ich konnte wieder atmen. »War nett, Sie hier zu sehen, Jericho. Falls Sie wieder etwas über meine Probleme am Dock hören sollten …«
»Ich melde mich«, versprach Barrons.
»Sie mögen ihn«, stellte ich fest, als wir gegen vier Uhr morgens durch die fast verlassenen Straßen der Innenstadt gingen. Immerhin waren die Informationen, die er O’Bannion vorhin zugespielt hatte, von großer Bedeutung; sie entlarvten etliche Mitglieder einer Dubliner Gang als den Stachel in O’Bannions Fleisch.
»Nein, Miss Lane«, entgegnete Barrons.
»Okay, vielleicht nicht mögen«, korrigierte ich mich, »aber Sie respektieren ihn.«
Wieder schüttelte Barrons den Kopf.
»Was dann?« Barrons hatte eine gewisse höfliche Distanz zu Rocky
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