Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
Gasbrenner, die aussahen wie Holzscheite, im Kamin neben der hinteren Sitzecke nach, dann machte ich es mir wieder mit ein paar Modezeitschriften auf dem Sofa bequem und beobachtete die Kunden, die ein- und ausgingen. Ich malte mir aus, wie sie lebten, und haderte mit meinem Schicksal, weil mir die Normalität versagt blieb.
Fiona plauderte munter mit jedem, nur nicht mit mir,gab zwischendrin telefonisch Bestellungen durch und um Punkt acht schloss sie die Ladentür ab und ließ mich allein.
Nur wenige Stunden, nachdem der Ladenbesitzer den Tod von sechzehn Menschen herbeigeführt hatte, lief bei B ARRONS B OOKS AND B AUBLES alles ab, als wäre überhaupt nichts geschehen. Was eine Frage aufwarf: Wer war der eiskältere Killer – der überehrgeizige, machthungrige Ex-Boxer, der sich zum Gangsterboss gemausert hatte, oder der Autosammler und Buchladenbesitzer?
Der Gangsterboss war tot. Der lebendige Ladenbesitzer kam ein wenig später als gewöhnlich – um halb neun – putzmunter aus dem Regen herein. Nachdem er die Tür von innen abgeschlossen und verriegelt hatte, ging er zur Ladenkasse, um sich anzusehen, welche Notizen Fiona wegen zwei Sonderbestellungen für ihn hinterlassen hatte, dann gesellte er sich zu mir und nahm im Sessel mir gegenüber Platz. Sein blutrotes Seidenhemd war nass vom Regen und klebte an seinem gestählten Körper wie eine zweite Haut. Die schwarze Hose schmiegte sich an seine Beine und er trug schwarze Lederstiefel mit verrucht aussehenden silbernen Kappen und Absätzen. Er hatte wieder den schweren keltischen Armreif angelegt, der mich an geheimnisvolle Gesänge und uralte Steinkreise denken ließ. Neu war der schwarz-silberne Reif an seinem Hals. Barrons strahlte wie immer diese absurd energetische Vitalität und sinnliche Hitze aus.
Ich sah ihm direkt in die Augen und er erwiderte ungerührt meinen Blick. Keiner von uns verlor ein Wort. Er sagte nicht: Bestimmt haben Sie die Autos hinter dem Haus gesehen, Miss Lane und ich sagte nicht: Sie kaltblütiger Bastard, wie konnten Sie nur? Und er antwortete nicht: Sie sind noch am Leben, oder? Deshalb rief ich ihm auchnicht ins Gedächtnis, dass er überhaupt erst mein Leben in Gefahr gebracht hatte. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir so dasaßen, aber wir führten eine lange Konversation allein mit Blicken. In Jericho Barrons’ Augen erkannte ich grenzenloses Wissen. Für einen Moment glaubte ich sogar, den Baum der Erkenntnis mit köstlich roten Äpfeln, die geradezu darum flehten, gegessen zu werden, darin zu sehen, aber das war wohl nur die Reflektion der Flammen und der blutroten Seide in der dunklen Iris.
Eines, was ich unbedingt wissen musste, berührten wir nicht in unserem wortlosen Austausch. »Hatten Sie keinerlei Skrupel, Barrons? Haben Sie überhaupt keine Bedenken?« Er antwortete nicht, aber ich ließ nicht locker. »Haben Sie nicht wenigstens für eine Minute an ihre Familien gedacht? Oder daran, dass einer dabei sein könnte, der nie mehr verbrochen hat, als in der vierten Klasse einem anderen Kind das Pausenbrot zu klauen?« Wenn Blicke Dolche wären, hätten meine getötet. Über diese Fragen hatte ich mir den ganzen langen Tag über Gedanken gemacht. Daran, dass die Toten da draußen Frauen und Kinder hatten, deren Männer und Väter nie wieder nach Hause kamen; und die Hinterbliebenen mussten sich für den Rest ihres Lebens fragen, was ihnen zugestoßen sein könnte. Sollte ich das, was die Männer bei sich gehabt hatten, aufsammeln und anonym an die Polizei schicken? Die Gewissheit, dass ein geliebter Mensch tot war und man um ihn trauern konnte, war allemal besser, als nicht zu wissen, was mit ihm geschehen war. Wäre Alina einfach spurlos verschwunden, hätte ich bis zu meinem letzten Atemzug die unauslöschliche, verzweifelte Hoffnung gehegt, dass sie wieder auftauchen würde. Ich hätte jedes Gesicht auf der Straße oder in einer Menschenmenge ganz genau betrachtet und mich mit der Frage gequält, ob sie noch lebte. Und gebetet, dasssie nicht von einem Psychopathen gefangengehalten und gequält wurde.
»Morgen werden Sie ins National Museum gehen, Miss Lane«, teilte mir Barrons mit.
Ich hatte nicht gemerkt, dass ich den Atem angehalten hatte, während ich auf eine Antwort wartete, die meine Schuldgefühle mindern könnte, bis mir die Luft mit einem verächtlichen Schnauben entfuhr. Typisch Barrons. Stellte man eine Frage, erntete man einen Befehl. »Was ist mit ›Sie bleiben hier, bis ich zurückkomme,
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