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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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geschehen.«
    Tatsächlich brachten die heißen Tücher rasche Erleichterung. Dampf stieg auf, erreichte Tess' Nase und berührte die widerspenstigen Locken über ihrer Stirn. Ihre Milch löste sich in einem Schwall, die schmerzhafte Spannung ließ nach. Sie schloss die Augen und ließ den Kopf zurückfallen.
    Savannah beugte sich näher. »Schon besser?«
    »Ja«, sagte sie bebend. »Ich glaube, es hilft...«
    Nach etwa zehn Minuten und ebenso vielen Tüchern fühlte Tess sich wie ein neuer Mensch.
    »Möchtest du jetzt noch einmal versuchen, ihn zu stillen?«
    Savannahs Stimme durchdrang den fast hypnotischen Zustand, in den Tess versunken war. Schläfrig lächelnd hob sie Caleb an die Brust. »Los, Baby Caleb, versuch's noch einmal.«
    Diesmal schnappte Caleb zu, als hätte er es immer schon gekonnt. Die winzigen Fingerchen entspannten sich, als er die Hände auf ihre Brust drückte. Im Nu war er nicht nur das Baby, das sie in den Armen hielt, er wurde ein Teil von ihr.
    Tess starrte auf ihn hinunter und wurde von einem Gefühl erfasst, so überwältigend, dass sie überzeugt war, es nie wieder zu empfinden. Ehrfurcht, Stolz, Demut, Liebe, Frieden. Das Gefühl erfüllte ihre Seele und erhellte sie mit strahlendem, hellem Licht. Sie erhaschte eine Andeutung, einen flüchtigen Blick auf das, was Mutterschaft sein konnte, und es erfüllte sie mit verzehrender Sehnsucht. Sie spürte, dass sie ... gebraucht wurde. Sie kam sich wichtig vor. Und zwar nicht als Wissenschaftlerin mit glänzendem Verstand, sondern als Geschöpf. Als Mensch. Es war ein Gefühl, das sie ihr Leben lang gesucht hatte, erst verzweifelt, dann mit einem nagenden Gefühl der Hoffnungslosigkeit.
    Sie sah zu Savannah auf, weil sie diesen Augenblick mit jemandem teilen wollte.
    Der kalte, argwöhnische Blick in Savannahs Augen machte dem beglückenden Gefühl so jäh ein Ende, dass Tess die Worte in der Kehle stecken blieben, durcheinander gerieten und sie lieber den Mund hielt.
    Ihre Freude wurde zu Schmerz und Trauer. Ihr Leben lang hatte sie auf jemanden gewartet, mit dem sie Freud und Leid teilen konnte. Jemanden, den sie lieben konnte. Und jetzt, umgeben von einer eigenen Familie, wie sie sie immer gesucht hatte, war sie einsamer und isolierter denn je.
    Sie senkte den Blick, um ihre Enttäuschung zu verbergen. »Danke.«
    Savannah sprang auf. »Ich muss mit dem Abendessen anfangen.« Sie war schon fast an der Tür, ehe die Worte ausgesprochen waren.
    Tess starrte lange die geschlossene Tür an. Sie war zwar viel älter, mit altmodischen Angeln und aus grobem Holz, doch war es wieder eine Tür zwischen Tess und einer Familie, eine Tür, wie sie sie ihr Leben lang vor sich gehabt hatte.
     
    Stunden später stand Savannah in der Küche und rührte in dem Kaninchen-Stew, das sie zum Abendessen zubereitet hatte. Dampf entwich durch die Ritzen der eisernen Backofentür und mit ihm der verlockende Duft von frischem Brot. Auf der hinteren Kochstelle blubberte in einem schweren gusseisernen Topf siedendes Wasser.
    Sie wischte sich mit dem Unterarm über die feuchte Stirn und entnahm dem kunstvollen Holzbehälter neben dem Herd eine Prise Salz. Der Deckel fiel klappernd wieder zu, als sie die groben weißen Salzkörner über das Stew verstreute.
    Sie strich die zerknitterte weiße Schürze glatt und ging zum Vorratsschrank. Erst als auch die frische Butter und der Steinguttiegel mit Erdbeermarmelade vom letzten Sommer auf dem Tisch standen, setzte sie sich.
    In fünf Minuten würde das Essen fertig sein. Nicht, dass es jemandem auffallen oder jemanden kümmern würde.
    Sie stützte einen Ellbogen auf den Tisch und legte das kleine Kinn in die Handfläche. Ihr Atem entwich in einem Seufzer, zu tief und einsam für eine Zwölfjährige, doch das war Savannah nicht bewusst, denn sie kannte nichts anderes als Einsamkeit und ahnte nicht, dass das kein Normalzustand war.
    Bis vor kurzem jedenfalls. Ihre blassen Wangen röteten sich bei der Erinnerung. Rasch sah sie sich in der Küche um, ob jemand da war, der ihr Erröten hätte bemerken können.
    Diesmal war sie froh, dass sie allein war.
    »Jeffie Peters.« Sie flüsterte seinen Namen mit geschlossenen Augen und gab sich träumerisch ihren Phantasien hin. Geräusche durchdrangen ihr Bewusstsein: Bücher wurden laut zugeklappt, Kinder lachten, gestiefelte Füße tappten eilig über einen Holzboden. Die Glocke verkündete fröhlich bimmelnd das Ende des Schultages.
    »Savannah!«
    Sie fuhr blitzschnell herum.

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