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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Finken, die über ihm hin und her flitzten. Das Lied war vertraut und fremd zugleich, mit einem sonderbaren unregelmäßigen Rhythmus, als kenne man die Worte, hätte sie aber nie wirklich zuvor gehört. Aber die Stimme - ach, die Stimme, die würde er nie vergessen.
    Langsam drehte er sich um und wusste sogleich, dass es ein Fehler war.
    Tess saß auf der Verandaschaukel und sang Caleb ein Wiegenlied in einer etwas sonderbar klingenden Version vor. Die wehmütige Weise zauberte ein bittersüßes Lächeln um Jacks Mund. Kein Wunder, dass das Lied ihm fremd vorkam. Seine Frau hatte ihren Kindern nie zuvor vorgesungen.
    Wenn ... Der Gedanke war da, ehe er ihn verhindern konnte. Wenn sie wirklich die liebevolle, gütige Mutter wäre, die sie im Moment zu sein schien. Er dachte an das Bad, an das fast narkotisierend wirkende Gefühl des Friedens, das ihn erfüllte, als sie sich um ihn bemüht hatte. Ein paar kurze Augenblicke lang war es wie damals, als er ihr seine Seele anvertraut und ihr Bett geteilt hatte. Als er keine Angst gehabt hatte.
    Sie schaute unvermittelt auf. Ihre Blicke trafen sich, der seine schmal und von einem Verlangen erfüllt, das er nicht verdrängen konnte, der ihre groß und freudig. Sie lächelte und winkte ihm zu.
    Er wusste, dass er nicht zu ihr hingehen sollte. Er hätte ihr wieder den Rücken zuwenden und Brennholz hacken sollen. Doch er wollte gehen. Nur dieses eine Mal. Die Axt entglitt seiner Hand und schlug auf dem Boden auf. Den Stetson aus der Stirn schiebend, wich er dem Haufen halb gehackten Holzes aus und ging auf sie zu.
    Sie lächelte noch immer, als er die Veranda erreichte.
    »Hi«, sagte sie leise und rutschte zur Seite, um ihm Platz zu machen.
    Er starrte den leeren Platz neben ihr an. Verdammt, das sah einladend aus ...
    »So setz dich doch«, sagte sie, als er sich nicht rührte.
    Er schluckte schwer und zwang sich, sie anzuschauen. »Ich sollte nicht...«
    Sie lächelte. »Ich beiße schon nicht.«
    Ihr Blick zog ihn magisch an. Ehe er wusste, wie ihm geschah, stieg er die Stufen hinauf und setzte sich neben sie. Die Schaukel quietschte unter seinem Gewicht.
    Er starrte hinaus auf die bucklige, von Schafen wimmelnde Weide, unverwandt, die Fäuste im Schoß.
    Schweigen senkte sich über sie. Die Sonne beschien ihn heiß, durchdrang sein Hemd und ließ sein Fleisch feucht werden. Er wartete, dass sie etwas Wütendes und Beißendes sagte; sie wartete auf dasselbe. Dann sprachen beide zugleich.
    »Ist das eine Hitze ...«
    »Schönes Wetter ...«
    Tess brach in Gelächter aus. Es war ein kehliges, verführerisches Geräusch, das Jack ans Herz griff. »Sieht aus, als wären wir uns wenigstens über das Wetter einig.«
    Jack unterdrückte das Verlangen, ihr Lächeln zu erwidern. Als ihm klar wurde, dass er lächeln wollte, wurde er wütend. Verdammt, wie gut sie ihn zu manipulieren verstand, weil er, nochmals verdammt, ein willensschwacher Narr war. Er schob den Hut wieder tiefer in die Stirn und stand auf.
    »Ich ... muss mit dem Holz weitermachen.«
    Als sie zu ihm aufschaute, lag in ihrem Blick eine Traurigkeit, die vorhin nicht zu sehen gewesen war. Und er hatte das absurde Gefühl, sie gekränkt zu haben. »War nett, mit dir zu plaudern.«
    Damit drehte er sich um und ging die Stufen hinunter. Er musste sehr an sich halten, um nicht in Laufschritt zu verfallen.
    Später an jenem Abend saß Tess mit Savannah am Küchentisch. Hinter ihnen kramte Katie in der Bestecklade.
    Müßig griff Tess nach ihrem Löffel und starrte ihn an. Sie versuchte vergeblich, jetzt nicht an Jack zu denken. Seit dem gestrigen Bad dachte sie ununterbrochen an ihn. Sie träumte von ihm und fühlte sich dabei wie eine zum ersten Mal verliebte Sechzehnjährige. Es war lächerlich.
    Sie lächelte andeutungsweise. Es war aber auch aufregend, belebend und Energie spendend. Jetzt war sie sicherer als je zuvor, dass zwischen ihr und Jack etwas Besonderes war. Und sie wusste jetzt auch, warum sie sich ihn ausgesucht hatte. Aus seinem Blick hatten nicht nur Herzweh und Angst gesprochen, als er die Hände nach seinem Kind ausstreckte, sondern seine Fähigkeit zu lieben. Denn schon als sie ihn an der Wiege stehen sah, hatte sie gewusst, dass er davor Angst hatte und ebenso fürchtete, auf die Liebe seines Kindes zu sehr angewiesen zu sein. Aber trotz seiner Angst war er stehen geblieben und hatte die Hände ausgestreckt. Die meisten Menschen zogen sich vom Leben zurück und gaben die Liebe auf. Tess wusste es.

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