Im Bann seiner Küsse
sich sehr zurückhalten, um nicht loszuprusten. Ganz glückte es ihnen nicht.
Jack furchte die Stirn. »Das ist ja ein Frühstück.«
Tess schaute auf ihren Teller. »Ach so?«
Da schlug er mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass Salz und Pfeffer klapperten. »Verdammt, Lissa, das weißt du. Du servierst das Frühstück zum Abendessen.«
Ihr Augenaufschlag hätte nicht unschuldiger sein können. »Ich dachte, ich wäre eben erst aufgewacht.« Sie sah die Mädchen an. »Irre ich mich?«
Jack sprang auf. »Das halte ich nicht mehr aus. Nicht heute jedenfalls.« Er wollte gehen, doch als er sich umdrehte, hörte man sein lautes Magenknurren.
»Bleib, Jack«, sagte sie leise. »Du hast Hunger.«
Langsam drehte er sich wieder um. Sie lächelte. Diesmal aber lag kein spöttischer Zug um ihre Lippen, sondern nur ein Lächeln. Aus ihren Augen sprach eine stumme Aufforderung, die seine Selbstbeherrschung bedrohte und in ihm den Wunsch zu bleiben weckte.
Das macht der Hunger, sagte er sich.
Ehe es ihm bewusst war, hatte er eine Entscheidung getroffen und setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Er schob ihn näher an den Tisch. Sorgsam darauf bedacht nicht in ihre gefährlichen Augen zu schauen, hielt er den Blick unverwandt auf das Essen auf seinem Teller gerichtet.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte sie.
Er schnaubte. »Ja.« Widerstrebend sah er auf und begegnete ihrem Blick. »Was denn?«
»Du denkst, dass man verdammt hungrig sein muss, um dieses Essen zu vertilgen.«
Er lächelte, ehe er es sich verkneifen konnte.
»Siehst du?«, sagte sie so leise, dass er sofort wusste, es war nur für ihn bestimmt. »Es tut gar nicht weh.«
Er spürte, wie er erbleichte. Das leichte Lächeln glitt von seinem Gesicht. Er blickte in ihre warmen braunen Augen und verspürte Begehren, scharf wie ein Stich. »Du irrst dich. Es schmerzt höllisch. Und jetzt wollen wir ... das Frühstück verzehren, bevor es kalt wird.«
Tess blickte auf ihre verschmorten Eier und lächelte. »Ich glaube, wir haben jede Menge Zeit.«
Nachdem das Geschirr gespült und weggeräumt war, ging Tess hinaus und setzte sich auf die Verandaschaukel. Mit Caleb in den Armen schaukelte sie sanft vor und zurück und starrte über die dunklen Felder zum matten, vom Mond beschienenen Wasser ganz weit unten.
Caleb gluckste vergnügt und drückte ihren Finger mit seiner roten Faust.
Tess lachte leise und liebevoll. »He, Kleiner, du hast aber einen Griff.«
Er blickte sie mit einem Lächeln an, das viel Gaumen sehen ließ.
Hinter ihr öffnete sich ächzend die Tür. »Mama?«
»Ja, Savannah.«
»Kann ich ... mit dir reden?«
»Aber sicher, Kleines. Setz dich.« Sie rutschte weiter und machte Platz.
Savannah ließ sich zögernd neben ihr nieder. Mit steifem Rücken, den Blick geradeaus gerichtet, die Hände im Schoß nervös gefaltet, sagte sie kein Wort.
Tess wartete ruhig.
Nach einigen Minuten angestrengten Schweigens räusperte sich Savannah. »Ich ... ich ... fragte mich, ob ... Ach, das ist dumm. Egal.« Sie sprang wieder auf.
Tess erhaschte rasch ihre Hand, und das Mädchen drehte sich wieder um.
»Geht es um einen Jungen?«
Savannah staunte mit großen Augen. »Woher weißt du ... ?«
Tess lächelte. »Ich war selbst einmal zwölf.«
Savannah ließ sich wieder auf dem Sprossensitz der Schaukel nieder. »Es ist Jeffie Peters.« Sie drehte sich plötzlich um und sah Tess mit dem verwirrten Blick einer Halbwüchsigen an. »Neuerdings ... wenn er mit mir spricht, wird mir immer so anders.«
Tess nickte mitfühlend. »Jeffie gefällt dir wohl?«
Savannah nickte feierlich.
»Das ist nicht schlimm. Gar nicht. Es ist völlig normal.«
»Warum habe ich dann Angst und komme mir dumm vor, wenn er mit mir spricht?«
Tess strich das Haar von Savannahs Wange und steckte eine lockige Strähne hinters Ohr. »Es gehört zum Erwachsenwerden und ist nichts, wovor man Angst haben müsste. Weißt du was?«
»Was?«
Tess beugte sich näher zu ihr. »Jede Wette, dass er sich genauso fühlt, wenn er dich anschaut.«
»Wirklich?«
Tess lächelte. »Wirklich.«
Savannah schlang die Arme um Tess und Caleb. Tess drückte das Mädchen fest an sich. Schließlich zog Savannah sich zurück und sah Tess aus großen, übermäßig glänzenden Augen an. »Danke, Mama. Ich ...« Sie senkte die Stimme zu einem kehligen Flüstern. »Ich habe dich lieb.«
Tess war so fassungslos, dass ihre Gefühle ihr die Kehle eng machten. Tränen brannten ihr in den Augen.
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