Im Bann seiner Küsse
»Ich dich auch, mein Schatz.«
Savannah lächelte und wischte sich Tränen aus den Augen, Dann stand sie auf und verschwand im Haus.
Tess saß da, zu benommen, um sich zu rühren.
Ich habe dich lieb, Mama. Die simplen Worte hallten wie ein Echo in ihr, und mit jeder Wiederholung wuchs das Freudengefühl in ihr geradezu atemberaubend. Ihr Leben lang hatte sie auf diese einfachen Worte gewartet, hatte sich buchstäblich nach ihnen verzehrt. Und jetzt wusste sie, warum. Sie brachten eine Helligkeit in ihre Seele, die zuvor für sie unvorstellbar gewesen war.
Der nächste Tag dämmerte sonnig und schön herauf ... für Tess' Plan wie geschaffen.
»Warum hast du Vannah diese vielen Sachen zum Essen machen lassen, Mama?«, fragte Katie, die Tess zusah, als diese ein Glas Essiggurken in einen großen Korb tat.
»Weil niemand essen würde, was ich mache«, gab sie locker zurück. »Savannah, Schätzchen«, sagte Tess über die Schulter. »Hol deinen Daddy aus der Scheune. Er soll das Pferd einspannen.«
»Warum?«
»Wir veranstalten ein Picknick.«
Savannah und Katie waren fassungslos.
»Daddy wird kein Picknick nicht wollen«, sagte Savannah.
»Er wird kein Picknick wollen«, korrigierte Tess sie.
»Ich weiß. Das habe ich ja gerade gesagt.«
Tess drehte sich um und wischte die staubigen Hände an der Schürze ab. »Er wird mitkommen.«
»Aber Mama, Daddy wird nicht...«
Plötzlich schwang die Tür auf. »Wohin werde ich nicht mitkommen?«
Savannah sprang schuldbewusst auf und verkrampfte die Hände. Katie erstarrte mitten im Raum.
»Ach Jack«, sagte Tess unbekümmert. »Du kommst gerade recht, um anzuspannen. Wir veranstalten ein Picknick.«
Er lachte scharf auf. »Veranstalten wir nicht.«
Tess ging mit breitem Lächeln zu ihm. »Du hast mich wohl nicht richtig verstanden. Die Arbeitswoche ist um, und die Familie veranstaltet ein Picknick.«
Er verschränkte die Arme. »Das wird aber ein langer Weg.«
»Wird es nicht. Wir nehmen den Wagen.« »Ach?« Eine Braue zuckte geringschätzig nach oben. »Du weißt, wie man Pferde anspannt?«
»Nein. Das muss ich nicht wissen. Du wirst es tun. Sonst...« Sie nahm vor ihm Aufstellung.
Wieder lachte er auf. »Sonst ...was?«
»Schon mal was von einem Streik gehört?«
Er starrte sie ungläubig an. »Ein ... Streich? Du willst mich schlagen?«
»Natürlich nicht.« Sie versuchte sich zu erinnern, wann Streiks aufgekommen waren. Offenbar irgendwann nach 1873. »Ein Streik«, klärte sie ihn auf, »ist Arbeitsniederlegung, bis man sein Ziel erreicht.«
»Und das bedeutet...«
»... dass die Mädchen und ich kommende Woche keinen Finger rühren, wenn du nicht anspannst und uns zu einem Plätzchen für ein Picknick bringst. Heute noch.«
Die Mädchen staunten wortlos.
Jack blickte jäh auf. »Ihr zwei seid dabei?«
Bedrücktes Schweigen.
Tess drückte die Daumen. Los, Mädels, macht schon ...
»Na, wie steht's?«, rief er ärgerlich.
»Wir ...« Savannahs Stimme war ein schwaches Quieken. Sie räusperte sich und versuchte es wieder. »Wir sind dabei.«
Jack sah Tess finster an. Seine Anspannung war fast greifbar, als er mit aller Kraft um Fassung - oder um den Anschein einer solchen - rang.
»Lass es sein«, sagte er schließlich.
Sie zwinkerte ihn harmlos an. »Was denn?«
»Versuch keine Familie aus uns zu machen.«
Sein angstvoller und flehender Ton brach Tess fast das Herz. In seinem Blick lag eine Leere, die sie ins Innerste traf. Er wirkte verloren, verstört und allein gelassen. Und total verschreckt. »Wir sind es schon.«
Er erbleichte. »Unsere Sicherheit steht auf dem Spiel.«
»Stimmt nicht.«
Zorn trat an Stelle der Leere und Angst in seine Augen. »Gut. Ich werde es also für sie tun. Aber versuche dieses ... diesen Streik nie wieder. Ich bin ein Mensch mit begrenzter Geduld.«
Damit drehte er sich um und stürmte hinaus. Er hatte die unterste Verandastufe erreicht, als Tess seinen Namen rief.
Unwillig blieb er stehen. »Ja?«
»Damit wir uns richtig verstehen, Jack: Dir mag es an Geduld fehlen ... ich besitze dafür umso mehr.«
Jack starrte sie einen Moment lang sprachlos an, dann drehte er sich um und ging.
Tess sah die Mädchen mit einem strahlenden Lächeln an und reckte triumphierend die Daumen. »Freie Fahrt, Mädels.«
Fünf Minuten später starrte Katie ihre Mutter noch immer an. Mama lag auf dem Boden und kitzelte lachend Calebs Zehen.
Katie drehte sich mit ernstem Blick auf dem kleinen Gesicht zu ihrer
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