Im Bann seiner Küsse
vorstellen.
Als Tess ihn wieder weglaufen sah, entwich ihr Atem in einem müden Seufzer. Ihre Mundwinkel senkten sich enttäuscht.
»Was hat sie dir angetan, Jack?«, flüsterte sie in den pfeifenden Wind. »Was?«
Sie stützte ihre Hacke auf die umgegrabene, fruchtbar aussehende Erde und lehnte sich matt auf das abgerundete Ende des Griffes, während sie der einsamen Gestalt nachblickte, die langsam auf die Scheune zuging. Mit jedem Schritt, den er machte, steigerte sich ihre Mutlosigkeit.
Hör auf, Tess.
Sie schüttelte den Kopf und schüttelte die negative Anwandlung ab. Ein Leben lang hatte sie mit Zurückweisung und enttäuschenden Rückschlägen zu kämpfen gehabt. Und sie wollte verdammt sein, wenn sie sich jetzt unterkriegen ließe.
Es wird lange dauern, ermahnte sie sich.
Fast hätte es zu einem Lächeln gereicht. Zeit war zum Glück etwas, das sie im Überfluss hatte.
Zeit und Geduld.
Hewlett-Packard
15
Tess hockte auf den Fersen und begutachtete die Vorräte, die im Gras aufgereiht vor ihr lagen. Zwei pfundgroße Säcke mit Farbpulver, zwei leere übergroße Glastiegel und eine Dose Leinsamenöl. Die Sonne drang durch das Laub der Eiche und verlieh der alten Sackleinwand einen hellen, goldenen Schimmer. Neben ihr lag Caleb ruhig auf einer großen Decke.
Sie warf einen raschen Blick zu dem kleinen Bau hinter ihr. Jack war noch immer dort und beobachtete sie. Ihr wurde siedend heiß, ein Gefühl, das sie angestrengt zu ignorieren trachtete. Sie hatte etwas zu erledigen.
Tess rutschte vor, griff nach dem größten Tiegel und goss mit wissenschaftlicher Präzision Leinöl hinein.
»Willst du mir sagen, was du hier machst, oder nicht?«
Sie wandte den Blick nicht von dem in den Tiegel rinnenden Öl . »Oder nicht.«
»Tja, ich muss zurück zur Herde.«
Sie winkte ihm über die Schulter zu. »Das werde ich, danke.«
»Was wirst du?«
Tess drehte sich um und schenkte ihm ein sonniges Lächeln. »Meinen Spaß haben wie immer. War nett, mit dir zu plaudern.«
Er lächelte zögernd.
Tess spürte die Wirkung dieses Lächelns bis in die Zehen. Sie musste sich zwingen, nicht aufzustehen und zu ihm zu gehen.
»Ich gehe jetzt«, sagte er, auf die Scheune deutend.
Sie nickte. »Geh nur.«
Er rührte sich nicht, stand nur mit verschränkten Armen da, den Hut tief über den Augen und studierte sie unter der dunklen Krempe hervor. Tess spürte die Glut seines Blickes wie eine Liebkosung auf sich.
Als er schließlich zu sprechen anfing, waren seine Worte so leise, dass sie sie kaum hören konnte. »Also wirklich, ich will ja nichts sagen, aber es sieht gut aus.«
Tess zog die Brauen zusammen. »Was sieht gut aus?«
Jetzt grinste er. »Der Apfelwein, den du da hast.«
Tess konnte es nicht glauben. Sie lächelte. »Jack Rafferty, du hast tatsächlich Sinn für Humor.«
Sein Lächeln erlosch. Tess spürte den Verlust so deutlich, als würde eine Wolke die Sonne verdecken. Rasch richtete sie sich auf und schenkte ihm ein Glas Apfelwein ein. »Das Lächeln gefiel mir«, sagte sie leise und reichte ihm das Glas.
Seine Finger umfassten das von der Sonne erwärmte Glas, dass er sie fast berührte. Er spürte es, nahm das Glas entgegen und trank einen Schluck. »Danke.«
Tess schaute zu ihm auf. Aber sie sah ihn nicht so, wie er in diesem Augenblick aussah, als er seinen Apfelwein trank, sondern wie er zehn Sekunden zuvor ausgesehen hatte, als ein unbekümmertes Lächeln sein Gesicht verwandelte.
Sie wollte sich näher zu ihm beugen, doch als sie merkte, was sie da vorhatte, erstarrte sie. Ihr Herz schlug schneller, sie atmete schwer. Sie hatte ihn wieder küssen wollen.
Sie nahm sich zusammen und ging mit einem unsicheren Auflachen auf Distanz.
»Was ist?«, fragte er, doch war sein Ton heiser, und sie wusste, dass er sie auch gespürt hatte, jene plötzliche unerwartete Aufwallung von Leidenschaft.
»Ich wollte dich küssen«, antwortete sie einfach.
Er zuckte zurück und schluckte. »Oh.«
»Aber ich habe meine Absicht geändert.« Sie schloss den kleinen Abstand zwischen ihnen, hob ihr Gesicht und starrte ihn herausfordernd an. »Jack, beim nächsten Kuss wirst du die Initiative ergreifen.«
Er sah auf sie hinunter. Sein Atem kam schneller. Nervös benetzte er seine Lippen. Tess starrte seinen Mund voller Verlangen an, aber sie trat zurück und lächelte gezwungen. »Ich mache mich wieder an die Arbeit.«
»Ja. Bis dann.« Er starrte sie einen langen, atemlosen Augenblick an, dann drehte
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