Im Bann seiner Küsse
er sich um und ging davon.
Tess sah ihm nach. Ein dummes, lächerliches Grinsen lag auf ihrem Gesicht. Zum ersten Mal, seitdem ihr aufgegangen war, dass sie sich in ihn verliebt hatte, durfte sie hoffen. Sie waren sich einen Moment nahe gewesen. Wirklich nahe.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich noch näher kommen würden.
Tess schob das Bettchen eben an seinen Platz unter dem Fenster, als sie Savannah und Katie auf den Hof kommen hörte. Sie drückte dem schlafenden, eben gestillten Baby einen Kuss auf die Wange und lief hinaus auf die Veranda.
»Hi, Kinder!«, rief sie aus.
»Hi, Mama«, gaben beide lächelnd zurück.
Ihr ungezwungenes Lächeln weckte in Tess Stolz und Wärme. »Ich habe ein Projekt für uns geplant. Hier sind ein paar alte Laken. Ich habe Löcher für Kopf und Arme hineingeschnitten.«
Savannahs Lächeln war wie weggeblasen. »Du hast was? Aber ...«
»Komm schon«, sagte Tess lachend. »Zieht sie an. Wir wollen etwas malen.«
Savannahs Lächeln war sofort wieder da. Sie ließ Proviantbox und Bücher auf den Boden neben der untersten Stufe fallen und lief, gefolgt von Katie, zu Tess.
»Sehr gut«, sagte Tess. »Zieht sie so über den Kopf.« Sie machte es vor, indem sie eines überzog.
Die Mädchen schlüpften in die Laken und folgten Tess zur Eiche, wo Farbe, Pinsel und Schlafzimmervorhänge sorgfältig ausgelegt waren.
»Also los, Mädchen. Macht euch an die Arbeit.«
Savannah sah sie verwirrt an. »Die sind aber unsere Vorhänge.«
»Das sind eure Vorhänge«, berichtigte Tess sie. »Meint ihr nicht auch, dass sie ein wenig ... fade sind?«
Beide Mädchen warfen einen Blick auf die Vorhänge, dann sahen sie wieder Tess an. Keine sagte ein Wort.
»Also ich finde schon«, sagte Tess. »Kein Kind sollte in einem langweiligen Raum aufwachsen. Also tut es.«
»Du möchtest, dass wir unsere Vorhänge bemalen?«, fragte Savannah.
Tess schmunzelte. »Ist die Idee nicht großartig?« Sie bückte sich und griff nach zwei Pinseln. »Hier, nehmt sie.«
Savannah sah den Pinsel an, als sei er eine doppelköpfige Schlange. »Ich glaube wirklich nicht...«
»Malen«, sagte Tess mit Nachdruck.
Savannah kniete sich ins üppige Gras und tauchte den Pinsel vorsichtig in die rote Farbe.
Ganz behutsam, um nicht einen einzigen Tropfen zu verspritzen, malte sie eine dicke rote Borte an den unteren Saum.
Tess wartete auf einen Funken Kreativität, doch es kam keiner. Savannah widmete sich mit der Konzentration eines Gehirnchirurgen der Bordüre.
Tess ging neben Savannah in die Hocke. »Savannah, Schätzchen, du liebst wohl Bordüren sehr?«
Der Pinsel wurde angehoben. Nach einer langen Pause folgte ein »Nein«.
»Was gefällt dir denn?«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
»Dann denke jetzt darüber nach. Was für Dinge magst du?«
»Ich mag ... Sterne.«
»Na schön.«
»Na schön, was?«
»Dann male eben Sterne.«
Savannah sah sie erstaunt und mit einem kleinen Lächeln an. »Wirklich?«
»Wirklich. Also los.«
Savannah machte sich wieder an die Arbeit. Sie tauchte den Pinsel ein, rückte näher an den Stoff heran und begann den ersten Stern.
Tess sah ihr über die Schulter. Katie stand so weit entfernt, dass sie den Stern eben noch sehen konnte. Sie ballte die kleinen Hände zu Fäusten.
Tess stand auf und ging zu ihr. Katie wurde steif und starrte den Vorhang an.
Tess strich der Kleinen liebevoll eine Strähne aus dem Gesieht. »Es macht irgendwie Angst, etwas Neues auszuprobieren, so ist es doch?«
Katie drehte sich plötzlich zu ihr um. Nackte Angst hatte sie erbleichen lassen. »Weißt du, ich ... ich kann so etwas nicht. Es ... macht mich konfus.«
Tess drehte es das Herz im Leib um, so dass sie die nächsten Worte nur mühsam herausbrachte. »Du kannst es. Du brauchst nur ...«
»Ich kann es nicht.« Sehnsüchtig starrte Katie die Farbe an.
Tess kniete sich ins Gras, nahm Katie an den Schultern und drehte sie liebevoll um, bis sie einander ansahen. »Erinnerst du dich an unser Gespräch?«
Katie nickte.
»Gut. So, erst wollen wir den ersten Schritt tun. Was ist denn dabei so schwer?«
Tränen ließen Katies Augen größer erscheinen. Sie kämpfte tapfer darum, sie zurückzuhalten. »Ich kann nicht gut schreiben. Die Buchstaben verfließen alle.«
»Zum Malen braucht man nicht schreiben zu können.«
»Ich kann es also?«
Tess lächelte ermutigend. »Deine Schwester malt Sterne für ihr Fenster. Wie würde dir auf deinem Vorhang Regen
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