Im Bann seiner Küsse
Leib und rang um Atem.
Unsicher kniete er nieder. »Na, Bürschchen, was gibt's?«
Caleb schrie lauter.
Jack rückte näher, griff über das hölzerne Geländer und berührte das tränennasse Gesicht seines Söhnchens. »Ist ja gut, ist ja gut.«
Jack kam sich wie ein Idiot vor. Seine Stimme war heiser vor Gefühl, und er wusste nicht, was er sagen sollte. Was bedeutete einem Kind >Ist ja gut<, wenn es getröstet werden wollte?
Vorsichtig griff er unter Calebs winzigen Rücken und unter die Armhöhlen. Der warme Kontakt zeitigte Wirkung. Caleb rülpste und atmete schluchzend ein. Winzige Fäuste öffneten sich.
Ein dünner Hoffnungsfaden schlängelte sich durch Jacks Angst. Mit Hilfe der anderen Hand hob er Caleb sanft hoch.
Das Baby blinzelte ihn erstaunt an. Große, zitternde Tränen hingen an den kleinen Wimpern.
Jack starrte in das tiefrote Gesichtchen, von überwältigender Liebe erfasst. Er drückte das Baby fest an die Brust und ging langsam ans Bett.
Mit einem erleichterten Aufatmen setzte er sich. Er hatte Caleb nicht fallen gelassen. Gott sei Dank.
Als sein Herzschlag sich beruhigt hatte, legte er sich zurück und lockerte den festen Griff. Caleb lag ruhig auf Jacks Brust, die trüben blaugrauen Augen auf sein Gesicht gerichtet.
Er weiß es, dachte Jack müde. Er weiß, was für eine Niete ich als Vater bin.
Da gähnte Caleb und blinzelte schwer. Seine Lider fielen flatternd zu. Mit einem letzten glucksenden Geräusch schob er den Daumen in den Mund und legte den Kopf auf Jacks Brust. Gleich darauf war er eingeschlafen.
Jack lag stocksteif da und wagte keine Bewegung, um das schlafende Baby nicht zu stören. Voller Scheu starrte er das schwarzhaarige Köpfchen an, das sich so vertrauensvoll an seine Brust drückte. Als er seinen Sohn im Schlaf beobachtete, ergriff ein merkwürdig friedvolles Gefühl Besitz von Jack. Ohne zu überlegen, strich er über Calebs weiche Wange.
Er weiß es nicht, dachte Jack plötzlich. Caleb hatte keine Ahnung, dass sein Daddy ein Feigling war und verrückt obendrein. Er wusste nicht, dass Jack bedingungsloser Liebe nicht würdig war. Er wusste nur, dass er ohne seine Eltern verlassen war.
Versuche es.
Mehr hatte Lissa von Jack nicht verlangt. Nur dass er versuchen sollte, ein Vater zu sein und den Kindern seine Liebe zu zeigen.
Er wollte es. Herrgott, wie sehr er es wollte. Aber er hatte Angst. Was, wenn er es versuchte und versagte? War das nicht schlimmer, als wenn er es gar nicht versuchte? Besser, gar kein Vater zu sein wie sein eigener, als einer, der seinen Kindern wehtat...
Versuche es.
Tu es nicht. Du wirst versagen. Du wirst ihnen allen wehtun.
Natürlich würde er versagen. Er hatte bei allem, was er jemals versucht hatte, versagt.
Sie verdienen etwas Besseres, Jack. Er blickte auf Caleb hinunter, und diesmal waren es Jacks Augen, die sich mit heißen Tränen füllten. Seine Gefühle gingen so tief, dass sie ihm buchstäblich ans Herz griffen und sein ganzer Körper schmerzte.
Er schluckte schwer und spürte den Nachgeschmack von Tränen. Er war es ihnen schuldig, es als Vater wenigstens zu versuchen.
Aber war er nicht der Vater, zu dem man ihn gemacht hatte? Eine Erkenntnis, die ihm Übelkeit bereitete und deren er sich schämte. Hatte er sich nicht geschworen, den von seinen ichbezogenen, auf stille Art grausamen und unversöhnlichen Eltern angefangenen Schmerzenskreis nicht auszuweiten?
Hatten er und Johnny es nicht gemeinsam geschworen?
Johnny.
Jack atmete in einem schmerzlichen Seufzen aus. Er und Johnny hatten geschworen, gute und liebevolle Väter zu sein. Johnny aber hatte nie die Chance dazu bekommen.
Und Jack, der die Chance bekommen hatte, hatte sie ausgeschlagen. Seine Angst vor einem Versagen war so groß, dass er einen Versuch nie gewagt hatte.
In der Kirche hatte er einen Neuanfang gelobt.
Keine Angst. Sei ein Mann. Sei dieses eine Mal ein Mann.
»Bitte, lieber Gott«, murmelte er, »zeig mir den Weg. Zeig mir, was ich tun soll...«
Er betete mit geschlossenen Augen und war zum ersten Mal seit vielen Jahren absolut sicher, dass er Gehör fand.
Jack wurde durch lautes Gelächter geweckt. Verschlafen zwinkernd stützte er sich auf einen Ellbogen auf, sorgsam darauf bedacht, Caleb nicht zu wecken, der noch immer friedlich an seiner Brust schlummerte. Er umfing das Baby mit den Armen und vertiefte sich in den Anblick des vollkommenen, unschuldigen Gesichtchens.
Füßegetrappel draußen im Flur, dann stürzte Katie
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