Im Banne des stuermischen Eroberers
fort, und ohne noch lange zu fackeln, trat er ans Bett, beugte sich vor und presste Hethe das Fell aufs Gesicht.
Hethe wehrte sich und versuchte zunächst, das Fell fortzuzerren. Als das nichts half, tastete er blindlings nach Williams Gesicht. Wenn es mir doch nur gelingen wollte, William die Augäpfel einzudrücken oder an die Gurgel zu gehen, dachte er verzweifelt. Aber der kräftige, von keiner Blessur oder Schwäche beeinträchtigte William wich seinen Händen mühelos aus.
Hethe bekam keine Luft mehr, ihm brannte die Lunge. Schwindel packte ihn, und er wusste, dass ihm der Tod bevorstand. Vage schossen ihm die Fragen durch den Sinn, die er vorhin an William gerichtet hatte: „Weshalb so niedergeschlagen? Werde ich sterben?“ William hatte nur mit den Schultern gezuckt. Aye, Hethe war drauf und dran zu sterben. Nur wurde ihm das jetzt erst klar.
„Mylady!“ Ducky stürzte auf Helen zu, die mit Goliath im Schlepptau in den Wohnturm geeilt kam. „Stimmt etwas nicht? Habt Ihr ... Wer ist das?“
Helen blieb stehen und warf einen Blick über die Schulter. Stephen schleppte sich, gestützt von seiner Mutter, die Stufen vor dem Wohnturm hinauf. „Das ist Stephen. Ist meine Tante bei Hethe?“ Sie betete, dass dem so sein möge, doch Duckys Blick verweilte noch bei Stephen.
„Stephen?“, fragte sie, die Augen vor Angst geweitet. „Hier? Aber er ...“
„Nay, er ist es nicht“, wandte Helen rasch ein. „ William ist es.“
„William?“ Die Kammerfrau schaute noch entsetzter drein, sofern dies überhaupt möglich war.
„Ganz recht. Wo ist er?“
Ducky zauderte, die Augen vor Schreck noch immer weit aufgerissen. „Er sitzt bei Seiner Lordschaft. Eure Tante ist in ihrem
Sessel eingenickt, und Sir William hat vorgeschlagen, dass sie sich ausruhen soll. Er wollte an ihrer Stelle bei Eurem Gemahl wachen. “
„Herrje!“ Stephen fluchte. Helen sagte kein Wort, sondern wirbelte zur Treppe herum und rannte, so schnell sie es vermochte. Stephen, dessen Mutter und Ducky setzten ihr umgehend nach, aber Helen wartete nicht auf sie, sondern stürmte voraus.
Als das Fell plötzlich von seinem Gesicht wich, keuchte Hethe entsetzt auf und zog begierig Luft ein. Zunächst war er zu sehr damit beschäftigt, nach Atem zu ringen, um sich darüber zu wundern, weshalb der Überwurf verschwunden war. Als das Summen in seinen Ohren nachließ, vernahm er Schreie und wildes Poltern. Er schlug die Augen auf, schaute sich um und stellte fest, dass er alles nur verschwommen sah. Sein Blick fiel auf William, der, mit einem Mal bucklig, in der Mitte des Schlafgemachs wie wild im Kreis rannte. Gleich darauf erkannte Hethe, dass William keineswegs ein Buckel gewachsen war - der Buckel war Helen.
Seine Gemahlin hatte William von hinten einen Arm um den Hals geschlungen und würgte ihn, wobei sie ihn mit der anderen Hand kräftig an den Haaren zog. Wie eine Todesfee kreischend, hing sie an Williams Rücken. Hethe war vom ersten Tag an überzeugt gewesen, dass man sich Lady Helen of Tiernay besser nicht zum Feind machte. Hier nun ist der Beweis, dachte er stolz. Plötzlich gelang es William, sie abzuschütteln und zu Boden zu schicken, und Hethe schrie vor Wut und Schreck auf.
Doch es kam schlimmer. William zog ein scharfes Messer aus dem Gürtel. Hethe gefror das Blut in den Adern. Von Zorn beflügelt, sprang er aus dem Bett. Allerdings war er noch genauso zittrig wie bei seinem letzten derartigen Versuch und geriet ins Taumeln, kaum dass er die Füße aufgesetzt hatte. Dennoch gelang es ihm, William am Fußgelenk zu packen und sich daran festzuklammern. Kraftlos zerrte er in dem Bemühen, William aus dem Gleichgewicht zu bringen, wobei er unablässig schrie. So dauerte es einen Moment, bis er merkte, dass noch jemand wutentbrannt brüllte. Ein weiteres Paar Stiefel kam in sein Blickfeld, und er sah auf.
„Stephen“, keuchte er, während dieser auch schon ausholte, um William das Messer aus der Hand zu schlagen. Es gelang Stephen, einen Arm um Williams Arm zu schlingen, sich daran zu hängen und ihm so die Bewegungsfreiheit zu nehmen.
Erzürnt schrie William auf.
Hethe hatte nicht bemerkt, dass Ducky sich um Stephen herumgeschlichen hatte, und sah sie erst, als sie krachend einen Nachttopf auf Williams Schädel niederfahren ließ. Das Gefäß war nicht leer gewesen, und unwillkürlich ließ Hethe von seinem Gegner ab, um sich in Sicherheit zu bringen. Der Inhalt des Nachttopfs ergoss sich über den Mann, der ihn zu
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