Im Bannkreis Des Mondes
auch den anderen Soldaten nicht aus den Augen lassen, sonst lief sie Gefahr, dass man ihr Leiden schon vor der Hochzeit entdeckte.
Sie unterdrückte ein Seufzen. Vermutlich hatte er schon zuvor etwas zu ihr gesagt. Sie musste vorsichtiger sein.
»Meine Mutter«, wiederholte Abigail und achtete sorgfältig darauf, die Gesichter der beiden Kämpfer im Auge zu behalten.
Talorcs Gesicht wurde vor Wut dunkel. »Sie hat Euch geschlagen. Warum?«
Abigail hatte bisher in Bezug auf ihre Taubheit immer dadurch gelogen, dass sie nie darüber gesprochen hatte. Aber sie hatte sich vor langer Zeit geschworen, niemals zu lügen, wenn es um andere Dinge ging. Niemals. »Ich möchte es lieber nicht sagen.«
»Und trotzdem werdet Ihr es mir erzählen.«
Kapitel 3
V ielleicht hat sie genauso viel gegen diese Hochzeit wie du, Talorc.« Diese Möglichkeit schien den hellhaarigen Riesen zu amüsieren.
»Findest du das etwa lustig, Niall?«, wollte Talorc von ihm wissen.
»Ein bisschen schon«, gab Niall zurück. Er ließ sich von seinem Laird nicht einschüchtern.
»Ist das wahr?«, wandte sich Talorc an Abigail.
Das kam der Wahrheit ziemlich nahe. »Ja.«
»Ihr wurdet geschlagen, bis Ihr Eure Zustimmung gegeben habt?« Auf Talorcs Gesicht zeichnete sich nun deutlich Abscheu ab.
»Ich habe nicht gehorcht.«
»Und trotzdem seid Ihr hier.«
»Sir Reuben hat mir versprochen, ich dürfe wählen, sobald ich Euch in die Augen geblickt habe.«
So etwas wie Respekt huschte über Talorcs Gesicht. »Jetzt habt Ihr mir in die Augen gesehen.«
»Ja.«
»Und?«
»Was hättet Ihr getan, wäre es mein Vater gewesen, der mich verprügelt hat?«, fragte sie statt einer Antwort.
»Ihn umgebracht.«
»Ihr würdet eine Frau nicht schlagen?«
Er verzog den Mund zu einem geradezu wilden Knurren. »Ich bin kein Engländer.«
Abigail spürte, wie ein Lachen in ihr aufwallte. Zum ersten Mal, seit ihre Schwester sie verlassen hatte, war ihr zum Lachen zumute. Talorc verabscheute die Engländer tatsächlich, aber statt dass es sie ängstigte, fand sie diesen Beweis seiner Abscheu eher erheiternd.
Und er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Highlander eine Frau schlug. Dieses Wissen beruhigte Abigail mehr als alles andere.
»Das findet Ihr lustig, Mädchen?«, fragte der andere Krieger.«
»Ich finde die Arroganz Eures Lairds lustig, ja«, flüsterte sie und legte die Hand wieder auf ihren Hals. »Seine Annahme, dass nur ein Engländer seine Frau schlagen würde, nimmt mir einen Großteil der Angst vor dem, was mich in den Highlands erwartet.«
Sie hatte dieses Geständnis eigentlich für sich behalten wollen, aber sie hätte sich keine Sorgen machen müssen. Keiner der beiden Krieger schien von den Worten besonders beeindruckt.
»Er ist auch Euer Laird«, entgegnete Niall.
»Wenn ich ihn heirate, wird er das sein, ja.«
»Ihr werdet mich heiraten.« Sie konnte seine Stimme nicht hören, aber in seinem Blick lag eine große Sicherheit, die keinen Platz für Zweifel ließ. Für keinen von beiden.
»Sicher wäre es Euch nur genehm, wenn Sir Reuben sich weigert, mich mit Euch zu vermählen.« Sie konnte diese Bemerkung nicht zurückhalten.
»Seine Weigerung wäre eine Beleidigung und ich gezwungen, ihn zu töten.« Er schien ob dieser Möglichkeit nicht besonders betrübt. Allerdings sah er auch nicht so aus, als mache er einen Scherz.
Abigail fühlte sich erneut, als greife eine kalte Hand nach ihrem Herzen. Die Möglichkeit, dass Talorc ihrem Stiefvater den Krieg erklärte, sobald er von ihrer Täuschung erfuhr – und letzten Endes würde das geschehen –, war eine ernste Gefahr. Ihre Angst wuchs.
»Warum würde Euch das kränken? Ihr hasst die Engländer doch.«
»Aye.«
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Die Sorge um ihren Stiefvater war für den Moment vergessen. »Dann hasst Ihr mich auch.«
»Nein.«
»Nein?«
»Nein.«
»Er hasst nicht die Unschuldigen«, fügte Niall erklärend hinzu.
Talorc blickte seinen Krieger über die Schulter an, ehe er sich wieder auf Abigail konzentrierte. »Ich hasse die Unschuldigen nicht, das ist wahr«, sagte er mit einem Schulterzucken.
Etwas an seinem Gesichtsausdruck und an der Art, wie er das sagte, ließ sie vermuten, dass er davon überzeugt war, dass dies zwei Dinge waren, die einander ausschlossen: Engländer und unschuldig sein. Und trotzdem hatte er behauptet, Abigail nicht zu hassen.
In seinem Blick suchte sie nach der Wahrheit. Sie wusste, wie Zorn aussah. Sie hatte mit dem
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