Im Bannkreis Des Mondes
Doch abgesehen von diesem Wunsch musste Talorc zugeben, dass er auch erleichtert war, nicht noch einmal in Gedanken mit ihr zu reden. Denn die innige Verbindung zwischen ihnen beunruhigte ihn schon jetzt zutiefst. Und die große Intimität, die es bedeuten würde, in Gedanken mit ihr zu sprechen, war etwas, das ihm ganz und gar nicht behagte. Zumindest nicht mit einer Frau, die er erst seit wenigen Tagen kannte. Mit einer Frau, die in England geboren und aufgewachsen war. Mit einer Frau, die ein Mensch war.
Er musste vorsichtig sein. Nicht noch einmal durfte er in Gedanken ihren Namen rufen, wie er es in der vergangenen Nacht getan hatte. Er durfte es nicht riskieren, ihr die wahren Umstände ihrer Verbindung zu offenbaren.
Jedenfalls nicht, solange er nicht bereit war.
Sollte dieser Zeitpunkt jemals kommen?
Das Erste, was Abigail von der Burg der Sinclairs sah, war mehr als beeindruckend. In ihren Briefen hatte Emily ihr einen Bergfried beschrieben, der dem der väterlichen Burg glich. Der Burgberg und der Burghof waren von einem Palisadenzaun umgeben gewesen, doch das hatte sich geändert. In den knapp drei Jahren, seit ihre Schwester gen Norden gezogen war, war der Holzzaun durch eine Steinmauer ersetzt worden, und der Bergfried wirkte nun wie eine trutzige Burg. Eine massive, uneinnehmbare Festung, um genau zu sein.
Ein breiter Burggraben umschloss die hohe Steinmauer. Das Wasser war dunkel und wirkte tief. Es wäre nicht leicht, den Graben zu überwinden.
Die Reisegruppe ritt über die schmale Brücke, die zu der einzigen Öffnung in der Mauer führte. Talorcs Leute kamen aus ihren Hütten, um den Laird willkommen zu heißen, und folgten den Pferden über die Brücke. Im Burghof schlossen sich ihnen noch mehr Männer und Frauen an.
Einige riefen, andere jubelten. Kinder rannten herum und spielten zwischen den Schlachtrössern Fangen. Es war ein völlig anderes Bild als jenes, das Emily ihr einst von ihrem ersten Eindruck geschildert hatte. Sowohl die Krieger als auch ihre Pferde bewiesen ihre gute Ausbildung, denn die Kinder waren nie in Gefahr, unter den riesigen Hufen zertrampelt zu werden.
Talorc ritt ohne innezuhalten weiter. Er überquerte den Burghof und erklomm den Burgberg. Steinmauern erhoben sich zu beiden Seiten des Pfades hoch in den Himmel und beschatteten alle, die auf ihm den Hügel hinaufzogen.
Abigail konnte nicht erkennen, ob der steile Hang natürlichen Ursprungs oder ob er aufgeschüttet worden war. Der Pfad unter den Hufen ihres Pferds bestand aus festgestampfter Erde und von Moos überzogenen Steinen. Er wirkte solide gebaut, woraus sie schloss, dass der Hügel vor langer Zeit entstanden war, durch Gottes Werk oder von Menschenhand. Kein Gewittersturm und kein langanhaltender Regen konnte das Fundament wegspülen, wie es gelegentlich in England passierte.
Sybil hatte sich darum gesorgt und laut lamentiert, dass etwas Derartiges passieren könnte, nachdem sie mit ihren Töchtern auf der Burg Hamilton Einzug gehalten hatte.
Das Tor am oberen Ende des Pfads stand offen. Talorc ritt hindurch. Er wirkte stolz und respektgebietend. Eine Reihe Krieger, die ebenso grimmig dreinschauten wie jene, die Abigail und Talorc auf dem Weg nach Norden begleitet hatten, erwarteten sie im Innenhof. Sie standen vor einem steinernen Turm, der sich in der Mitte des Hofes gut dreißig Fuß in die Höhe erhob.
Talorc stieg vom Pferd und begrüßte einen Krieger, der Niall so ähnlich sah, dass es sich um seinen Zwilling handeln musste. Talorc legte die geballte Faust auf sein Herz. Der andere Mann ahmte die Begrüßungsgeste seines Lairds nach und nickte Talorc knapp zu. Fast eine Verbeugung. Aber nur fast.
Abigail lächelte Niall an. »Das ist Euer Bruder Barr, nicht wahr?«
»Aye.«
»Er sieht fast so gut aus wie Ihr. Ihm fehlt nur dieses Zeichen von Stärke, das Ihr im Gesicht tragt.«
Niall legte den Kopf in den Nacken und lachte laut. Abigail schmunzelte. Es gefiel ihr, wenn ihr neuer Freund seine Freude so offen zeigte.
Die Krieger um sie herum, die ihren Laird begrüßt hatten, hielten inne und starrten herüber. Auch die anderen Leute sahen Niall an, als wüchsen ihm wie Medusa Schlangen aus dem Kopf.
Nialls Lachen verstummte, und er starrte die Männer finster an, worauf sie den Kopf abwandten. Nur ein rothaariger Mann blieb davon unbeeindruckt. Er stand in Talorcs Nähe und weckte sofort Abigails Neugier. Der Rothaarige lächelte Niall an. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den man nur
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