Im Blut vereint
heraus. Sie schienen zu Beinteilen zu gehören.
Sie würde versuchen, die Identifikationsnummern auf den Papieren den Körperteilen in den Kühltruhen zuzuordnen. Möglicherweise fanden sich an den Körperteilen noch Etiketten mit den Namen der Verstorbenen. Dann konnte sie diese Namen Kunden von Anna Keane zuordnen. Sie konnte sich an die Angehörigen wenden und herausfinden, ob die Toten jemals einer Spende zugestimmt hatten. Wenn nicht, waren Anna Keane und
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erledigt.
Sie schaute hinüber zu den Kühltruhen.
Und atmete tief durch.
Los!
Sie öffnete den Deckel der ersten Kühltruhe und bekam eine Gänsehaut. Im Innern lagen durchsichtige Plastiktüten mit langen, knubbeligen Streifen gelblichen Fleisches darin, kreuz und quer übereinander. Kate blickte sie verwirrt an. Dann dämmerte es ihr: Rückenmarkstränge.
Jeder dieser Stränge war mit einem Etikett versehen, auf dem handschriftlich ein Name und eine Nummer vermerkt waren.
Kate schloss den Deckel wieder und öffnete die nächste Truhe. Fast hätte sie laut geschrien; sie konnte es gerade noch unterdrücken. Augen starrten ihr entgegen. Mindestens zwei Dutzend Paare tiefgefrorener Augen.
Sie knallte den Deckel wieder zu. Plötzlich schwitzte sie am ganzen Leib. Der Schweiß roch scharf, wie sie es noch nie an sich erlebt hatte. Wie bei einem Tier, das in der Falle saß. Sie flehte inständig, dass sie unter dem dritten Truhendeckel Beine finden würde. Beine konnte sie verkraften.
Sie öffnete die Kühltruhe.
Aus einem Haufen Beine ragte ein Fuß hervor. Als hätte er versucht, den Deckel aufzutreten.
Kate machte einen Satz zurück.
Sie hätte schwören können, dass der Fuß sich bewegte. Sie wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Sie musste hier raus.
Aber erst musste sie die Identifikationsnummern in den Unterlagen von
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mit denen an den abgetrennten Beinen vergleichen. Sie prüfte den tretenden Fuß. Die Nummer passte zu keinem der drei Dokumente. Hastig griff sie in die Kühltruhe und zog das eingetütete Bein darunter hervor. Die Nummer passte ebenfalls nicht. Die nächste auch nicht.
Verdammt. Vielleicht hatte
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die Charge, zu der diese Unterlagen gehörten, bereits verkauft.
Sie griff in die Kühltruhe, um das letzte Bein zurückzulegen. Da fiel ihr Blick auf ein Tattoo an der Innenseite des Fußknöchels. Es war ein kleiner Kolibri, der neben einer roten Akelei in der Luft schwebte. Die Farben waren matt, die Rot- und Orangetöne hoben sich nur noch schwach von der braunen Haut ab.
Sie starrte darauf.
Ein Kolibri.
»Ein kleiner Vogel. Mit kleinen Flügeln, die sich ganz schnell bewegen.«
So hatte Shonda Vangie Wrights Tattoo beschrieben.
Kate überprüfte den Namen. Laut Etikett gehörte das Bein einer Mary Littler. Der Fuß war so klein, dass er aussah wie der eines Kindes. Aber ein Kind hätte kein Tattoo. Kate blickte auf das zarte Motiv. Ihr stockte der Atem. Die Ranke, die von der roten Blüte ausging, war so gewunden, dass sie die Initialen
V . W.
formte.
Kate schloss die Kühltruhe und rannte hinüber zum Aktenschrank. Sie musste die Unterlagen für Vangie Wright/Mary Littler finden.
Von draußen hörte man das tiefe Brummen des Leichenwagens. Der Motor wurde abgestellt.
Unten fiel eine Tür ins Schloss.
45
Donnerstag, 17. Mai, 18:00 Uhr
Kate fummelte ungeschickt am obersten Griff des Aktenschranks herum.
Bleib ruhig. Du hast noch Zeit.
Sie riss die Schublade auf. Darin waren Hunderte von Aktenmappen, durch Registerkarten voneinander getrennt. Kate suchte hektisch nach der Nummer 1429. Mit einem schnellen Blick vergewisserte sie sich, dass die Nummer wirklich zu dem Bein mit dem Etikett
Mary Littler
gehörte.
Kate zog die Papiere aus der Mappe und stopfte sie sich in den Rockbund. Sie lief zum Fahrstuhl, knipste das Licht aus und drückte auf den Knopf.
Und wenn Anna Keane nun das Licht gesehen hatte und unten vor der Aufzugtür auf sie wartete?
Vor Angst bekam Kate weiche Knie. Bis jetzt hatte sie nur befürchtet, dass ihre Karriere ruiniert sein könnte, falls Anne Keane sie erwischte. Aber seit sie das abgetrennte Bein von Mary Littler/Vangie Wright gesehen hatte, erschien ihr die Bestatterin in ganz anderem Licht. Und sie war verdammt sicher, dass es tatsächlich Vangie Wrights Bein war, auch wenn sie es noch nicht beweisen konnte. Vangie Wright war keine verschwundene Prostituierte mehr, sondern Leichengewebe.
Hatte Anna Keane sie umgebracht?
Bei dem Gedanken blieb ihr fast das
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