Im Blut vereint
Detective. Ich habe keine Ahnung, wo Lisa gestern war. Ich war arbeiten.«
Sie trat ins Freie. Ethan sah zu, wie ihre helle Gestalt sich durch den Regen entfernte. Lamond pfiff leise. »Eine von den Harten.« Ethan schwieg. Wer konnte schon sagen, was in ihrem Kopf vor sich ging? Vielleicht erfuhren sie beim Besuch in ihrer Eigentumswohnung mehr.
Sobald er im Auto saß, rief er Ferguson per Handy an. Was er zu sagen hatte, wollte er nicht über Polizeifunk durchgeben. Da hörten sicher eine Menge Neugieriger mit, seit die Nachricht von dem Mord durchgesickert war. »Die Leiche ist identifiziert. Es ist die Tochter von Richterin Carson, Lisa MacAdam.«
»Oh Gott«, murmelte Ferguson.
»Hat Brown alles für den Durchsuchungsbeschluss fertig?«
»Ja. Ich sage ihr, dass sie die Unterlagen dem Friedensrichter faxen soll. Ich habe ihn schon vorgewarnt. Er wartet.«
»Schicken Sie mir bitte Redding. Er und Lamond sollen Lisas Zimmer durchsuchen.«
»Einverstanden. Und Ethan …« Sie zögerte. Er wusste, was jetzt kam. Seit dem Fall Clarkson wurde es ihm ständig eingehämmert. »Benehmen Sie sich. Wir brauchen Richterin Carsons Hilfe.«
11
Dienstag, 1. Mai, 14:00 Uhr
Ethan und Lamond trafen sich vor Richterin Carsons Wohnhaus mit Redding. »Hier ist der Durchsuchungsbeschluss«, sagte Redding. »Brown ist ihn ein Dutzend Mal durchgegangen.« Er reichte ihn Ethan.
Ethan las das Schreiben sorgfältig. Einen fehlerhaften Durchsuchungsbeschluss konnten sie nun wirklich nicht gebrauchen. Aber Brown hatte gute Arbeit geleistet. Die Anordnung deckte alles Notwendige ab. Heute Nachmittag würden sie nur Lisas Zimmer durchsuchen. Vielleicht fanden sie so heraus, was sie vor ihrem Tod gemacht hatte. Sollte sich irgendein Hinweis darauf ergeben, dass Richterin Carson in den Mord an Lisa verwickelt war – Blutspuren etwa oder Chatprotokolle, die Lisas Mutter belasteten –, würden sie eine neue Anordnung beantragen. Dann würden die Jungs von der Spusi die gesamte Wohnung gründlich durchsuchen.
Lamond schaute sich um und pfiff leise. »Nette Gegend.«
»Ja.« Wirklich nett. Die Anlage beherbergte die luxuriösesten Eigentumswohnungen der Stadt. Woher hatte Richterin Carson das nötige Geld? Strafrichter wurden vom Staat bezahlt. Anwälte, die zum Richter berufen wurden, mussten meist einen Einkommensverlust hinnehmen.
Ethan blickte durch die gläsernen Sicherheitstüren ins Foyer. Es sah genau so aus, wie er erwartet hatte.
Im Zentrum stand ein schwerer runder Säulentisch mit einem Arrangement aus orangefarbenen Lilien und irgendeinem ultramodernen stacheligen Grünzeug. An der cremefarben gestrichenen Rückwand hing ein massiver Spiegel, dessen vergoldeter Rahmen perfekt zu dem golden gesprenkelten Marmorboden passte.
Ethan nahm den Hörer der Haustelefonanlage ab und wählte Richterin Carsons Nummer. Mit einem Summen öffnete sich das Türschloss. Bevor es wieder einrastete, stieß Redding die Tür auf.
»Nett«, murmelte Lamond und straffte die Schultern. Ethan konnte sich vorstellen, wie der jüngere Detective sich fühlte. Eigentlich sollte er der Ansprechpartner für die Angehörigen sein, doch zumindest die Mutter des Opfers wollte mit ihm nichts zu tun haben. Und ihr Blick war tödlich. Keine angenehme Situation.
Willkommen beim Morddezernat, Kumpel.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und sie betraten die verspiegelte Kabine. Der Richterin gehörte eine Penthouse-Wohnung. Ethan wandte sich an sein Team. »Lamond, Redding, Sie sehen in den Schubladen, den Schränken, unter dem Bett, in Lisas Stofftieren nach. Das Übliche eben. Falls Lisa Tagebuch geführt hat, lesen Sie jeden Eintrag. Blättern Sie ihre Hausaufgabenhefte durch. Finden Sie ihre Facebook-Gewohnheiten heraus, ihre MSN -Chatlisten, alles. Und achten Sie darauf,
alles
einzutüten und zu etikettieren, was Sie mitnehmen. Falls sich herausstellen sollte, dass Richterin Carson mehr ist als nur die trauernde Mutter, soll sie uns keine Fehler beim Sammeln von Beweisen vorhalten können.« Der Fahrstuhl näherte sich der Etage, auf der Richterin Carson wohnte. »Ich werde mit ihr durchsprechen, was Lisa vor ihrem Tod getan hat. Falls Sie Hilfe brauchen, sagen Sie Bescheid!«
Die anderen nickten. Sobald die Öffentlichkeit über die Identität der Toten informiert wurde, würden die Medien verrücktspielen. Bis dahin mussten sie möglichst weit kommen.
Sie stiegen im zwölften Stock aus und gingen den Flur entlang bis zu der Mahagonitür am Ende.
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