Im Blut vereint
Richterin Carson. Die Einzelheiten des Tathergangs waren ein wichtiger Trumpf, wenn es darum ging, einen Verdächtigen zu überführen.
»In Ordnung«, stieß sie hervor. »Ich bin in fünfundzwanzig Minuten an der Leichenhalle.«
Ethan wusste, dass die Leiche des Mädchens – was von ihr übrig war – inzwischen abtransportiert worden war. »Wir treffen uns dort.«
Die Verbindung wurde getrennt. Ethan war noch nie so froh gewesen, dass jemand aufgelegt hatte. Er atmete erleichtert auf.
»Mann, das war heftig«, sagte Lamond. »Wie hat sie es aufgenommen?«
Ethan schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.« Bei Richterin Carson wusste man nie. Sie ließ sich nicht in die Karten schauen. Aber eines stand fest: Falls sie diesen Fall versauten, würde sie sie fertigmachen.
Das war jedem im Einsatzraum klar. Im Zimmer knisterte es vor Anspannung.
»Brown, Sie kümmern sich um den Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung«, sagte Ferguson. »Der muss absolut einwandfrei sein. Bei Richterin Carson können wir uns keine Formfehler leisten.«
»Bin schon dabei.« Brown schlug ihre Aktenmappe lautstark zu und verließ mit selbstbewusstem Schritt den Einsatzraum, um zu ihrem Schreibtisch im Großraumbüro zurückzukehren. Ohne hinzusehen, wusste Ethan, dass Walker der großen, schlanken Frau nachschaute.
»Sagen Sie Bescheid, wenn er fertig ist, Brown«, rief Redding ihr hinterher.
»Geben Sie mir zwanzig Minuten«, antwortete sie über die Schulter hinweg.
»Kommen Sie, Lamond«, sagte Ethan. »Wir wollen Richterin Carson nicht warten lassen.« Sie füllten das Formular aus, mit dem man den Schlüssel zur Sicherheitskammer der Leichenhalle beantragte. Ungeduldig wartete Ethan darauf, dass der Detective von der Spusi es gegenzeichnete und den Schlüssel aushändigte. Dann eilten Ethan und Lamond über die Straße zum Parkplatz für die Polizeifahrzeuge, stiegen in einen der zivilen Wagen und fuhren zur Leichenhalle. Dafür brauchten sie elf Minuten. Gut. Ethan wollte vor Richterin Carson dort sein. Als er und Lamond den Haupteingang erreichten, bog sie gerade auf den Parkplatz ein.
»Ich komme direkt vom Büro«, sagte sie, als sie ihnen über den nassen Asphalt entgegenkam. Sie trug einen modischen cremefarbenen Trenchcoat, dessen Gürtel sie locker um die schlanke Taille geschlungen hatte. Der Regen hinterließ dunkle Flecken auf der Schulterpartie. Ihr dunkles, von Silber durchsetztes Haar umgab ihren Kopf in einem glatten Bob, in dem Regentropfen funkelten. Aus der Entfernung sah sie jünger aus, als sie war. Aber ihr forscher Schritt konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie sehr die Ereignisse der letzten Minuten sie mitgenommen hatten. Ihre Haut war bleich und ohne Spannkraft. Tiefe Falten zogen sich von ihrer Nase zum Mund.
Ethan begleitete sie ins Foyer. Lamond hielt sich neben ihm. Eigentlich hatte Ferguson ihm die Aufgabe übertragen, in diesem Fall als Ansprechpartner für die Angehörigen zu fungieren, doch bei Richterin Carson wollte ihn Ethan damit nicht allein lassen. Sie konnten sich keine Fehler erlauben. Und auch wenn er Lamond mochte, der Mann hatte einfach noch keine Erfahrung mit Mordfällen. Er war noch nicht lange Detective und erst vor Kurzem von der Abteilung für Sexualdelikte zum Morddezernat gekommen.
»Das ist Detective Constable Lamond, Euer Ehren«, sagte Ethan. »Er fungiert bei diesem Fall als Ansprechpartner für die Angehörigen.«
Lamond trat vor. In seinem Blick lag Mitgefühl. »Es tut mir sehr leid …«
Carson hob abwehrend die Hand und schaute ihn kaum an. »Bringen wir es hinter uns.«
Lamond wich zurück. Schweigend trugen sie sich beim Portier auf der Besucherliste ein und gingen nach unten in Richtung Pathologie. Carsons Absätze klackten laut. Sie sagte nichts, ihre Lippen waren ein schmaler Strich, ihr Blick starr geradeaus gerichtet. Alles an ihr strahlte Anspannung aus.
Als sie die Doppeltür aus Stahl erreichten, begann Ethan zu schwitzen. Er musste Richterin Carson auf das vorbereiten, was sie gleich sehen würde. Das war keine angenehme Aufgabe. Die Aufseherin trug sie auf einer weiteren Liste ein und führte sie dann zu dem Raum mit dem Sichtfenster.
Ethan wandte sich Richterin Carson zu. Sie blickte durch die Glasscheibe in den leeren Raum dahinter. »Euer Ehren, eine Sache sollten Sie noch wissen …«
Sie erstarrte, aber schaute weiter geradeaus. Ethan wünschte, sie würde ihn ansehen. Er spürte Lamonds Blick auf sich.
Er räusperte sich. »Dem
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