Im Blut vereint
vertrauen.
Sie bog in die Zufahrt zu ihrer Garage ein. Ethan stand an einen Pfosten gelehnt auf der Veranda. Er hielt zwei Becher Kaffee in den Händen. Als er sie bemerkte, lächelte er zögernd.
Ihr Magen verkrampfte sich.
»Hallo.« Offenbar hatte er gerade geduscht, sein Haar war an den Spitzen noch feucht. In dem T-Shirt kam sein durchtrainierter Oberkörper gut zur Geltung. Fast konnte sie es spüren – weiche Baumwolle, die Wärme seiner Haut, die kräftigen Schultermuskeln.
Sie ging zur Tür, wobei sie vorsichtig Abstand zu ihm hielt, und steckte den Schlüssel ins Schloss. »Komm besser mit rein.«
Er richtete sich auf und folgte ihr ins Haus. Alaska kam auf sie zugelaufen und wollte begrüßt werden. Kate kraulte ihn flüchtig hinter den Ohren.
»Hör zu«, sagte Ethan etwas unbeholfen, »das mit gestern tut mir leid. Ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist.«
»Ist schon gut.« Ihre Stimme verriet allerdings nur zu deutlich, dass das nicht stimmte. Sie rieb sich den Arm.
Ethan reichte ihr einen Kaffee. »Den hab ich für dich gekauft.«
»Danke.«
Die Stille lag zwischen ihnen wie ein schwarzes Loch, in dem die Vorwürfe lauerten. Sie fragte sich, wer zuerst hineinstürzen würde.
»Hast du die Aufzeichnungen dabei?«, fragte Ethan.
Da hatte sie die Antwort. Sie würde als Erste hineinspringen müssen. »Ich habe die Akte dabei.«
»Gut.« Er entspannte sich und nahm erwartungsvoll einen Schluck Kaffee.
Dann mal los.
Sie atmete tief ein. »Die Notizen sind weg.«
Er starrte sie fassungslos an. »Weg? Wie meinst du das, weg?«
»Sie sind nicht in der Aktenmappe. Hier.« Sie hielt ihm die Mappe hin. Im nächsten Moment fragte sie sich, warum sie das tat. Die Mappe enthielt ja nur ein einziges Blatt mit einer hingekritzelten Zeile.
Ethan schlug die Mappe auf. Seine Lippen wurden ganz schmal. Er sah sie forschend an. »Und? Was ist aus den Notizen geworden?«
Kate schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Ich habe das ganze Büro durchsucht, sogar unter dem Tisch, in jeder Schublade …« Sie hielt abrupt inne. Sie redete zu viel. »Ich weiß es nicht.«
»Hast du es dir anders überlegt?«
»Nein. Ich wollte dir die Notizen geben.«
»Du hast sie nicht vernichtet?«
»Nein.«
»Sie versteckt?«
»Nein!«
»Sie jemand anderem gegeben?«
»Ethan, ich habe es dir doch schon gesagt: Ich weiß nicht, wo sie sind.«
»Dann hat sie jemand gestohlen?« Er blickte sie skeptisch an.
»Vermutlich.«
»Wer würde denn so etwas tun, Kate?«
»Das weiß ich nicht.« Ihren Verdacht gegen Randall wollte sie nicht erwähnen. Zwischen Ethan und ihrem Chef war ohnehin schon so viel böses Blut, da wollte sie nicht noch Öl ins Feuer gießen. Diese Angelegenheit ging nur sie und den Managing Partner ihrer Kanzlei etwas an. Und irgendwann würde sie von Randall Rechenschaft fordern. Er würde nicht dauerhaft damit durchkommen.
»Das weißt du nicht?« Ethans Augen funkelten. »Ich glaube, du weißt es sehr gut.«
Sie nahm einen Schluck Kaffee und verbrannte sich die Zunge. »Nein.«
Ethan betrachtete das eine Blatt in der Aktenmappe genauer. »Das ist nicht deine Handschrift, oder, Kate?«
Sie wandte den Blick ab. »Nein.«
»Wer hat dir den Fall zugewiesen?«
Sie zögerte. Das war ein Fehler.
Ethans Blick wurde misstrauisch.
Resigniert antwortete sie: »Randall Barrett.«
Geräuschvoll klappte er die Aktenmappe zu. »Dieser Scheißkerl. Er hat die Notizen gestohlen.«
»Das weißt du doch gar nicht, Ethan.«
»Doch. Ich weiß es.«
»Warum sollte er das tun? Ethan, er hat die Mandantin zu mir geschickt, weil er selbst kein Interesse an dem Fall hatte!« Sie geriet in Panik. Würde Ethan Randall zur Rede stellen? Sie wollte sich nicht ausmalen, welche Folgen das für sie hätte. Sie wäre bloßgestellt, würde gefeuert, würde ihr Einkommen, ihr Haus und ihren guten Ruf verlieren. Alles nur, weil sie versucht hatte, Ethan bei seinen Ermittlungen zu helfen und so ihr Gewissen zu beruhigen.
Welch Netz wir weben doch von Lügen, sobald wir einmal nur betrügen …
»Ach wirklich? Vielleicht hat er die Mandantin ja aus einem anderen Grund zu dir geschickt.«
»Welchem denn?«
»Weil er dich flachlegen will.« Ganz offensichtlich drückte er sich bewusst so grob aus, um sie zu verletzen.
Ihr wurde heiß. Wütend funkelte sie ihn an. »Da liegst du so was von falsch, das kannst du dir nicht vorstellen.« Sie hoffte nur, dass ihr Blick ihm nicht verriet, wie nah er der
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