Im Blut vereint
Wahrheit kam.
»Warum nimmst du ihn dann in Schutz?«
»Ich nehme ihn nicht in Schutz!«
»Oh doch.« Er trank einen Schluck Kaffee. »Hat Barrett sich schon an dich rangemacht?«
Du Idiot.
Dieser Schuss kam der Sache einfach zu nah. »Nein. Er weiß sich besser zu benehmen als du.«
Ethans Gesichtszüge erstarrten. »Ich habe doch gesagt …«
Sie fiel ihm ins Wort. »Ich verdanke die Stelle auch gar nicht ihm.« Ihr Tonfall war scharf. Sie würde sich seine Verdächtigungen nicht länger anhören. Es war höchste Zeit, ein paar Dinge richtigzustellen. »Sondern John Lyons. Und wenn du glaubst, sie hätten mich aus einem anderen Grund eingestellt als wegen meiner Fähigkeiten, dann zeigt das nur, wie wenig du mich kennst. Nur weil dir Randall Barrett im Fall Clarkson gezeigt hat, dass es mit deinem Können doch nicht so weit her ist, muss er ja nicht auch an meinem Können zweifeln!« Atemlos hielt sie inne. Wenn sie mit Ethan zu tun hatte, kam sie aus dem Lügen anscheinend gar nicht heraus.
»Glaubst du etwa, mich interessiert, was so ein arroganter Dreckskerl denkt? Nicht nachdem das Berufungsgericht festgestellt hat, dass er nur Scheiße labert.« Der großspurige Tonfall passte nicht recht zu dem Ausdruck in seinen Augen. Überrascht begriff sie, dass er sie ebenfalls belog. »Und dann gehst du hin und arbeitest für ihn und seine Scheißkanzlei.«
»Ich muss mich für meine beruflichen Entscheidungen nicht vor dir rechtfertigen.«
Nicht mehr.
Sie sah ihn herausfordernd an.
»Es war ein großer Fehler, Kate. Wenn man für so ein Arschloch arbeitet, bleibt die Scheiße irgendwann auch an einem selbst kleben.« Er wedelte mit der Aktenmappe. »Das hier ist doch das beste Beispiel.«
Sie verschränkte die Arme. »Ich war ja drauf und dran, mir die Finger schmutzig zu machen. Für dich.«
Seine Lippen wurden schmal. »Wir müssen Lisas Mörder finden.«
»Und deswegen ist es in Ordnung? Weil es dem Gemeinwohl dient?«
»Ja, genau.« Er legte die Aktenmappe auf den Tisch in der Diele und öffnete die Haustür. »Mach’s gut.« Es klang düster. Endgültig. Er würde nicht noch einmal vorbeikommen.
Als er fast seinen Wagen erreicht hatte, klingelte sein Handy. Er stieg ein und nahm ab. »Detective Drake.«
»Ethan, hier ist Deb.«
»Ja?« Er ließ den Motor an. Er wollte hier weg. So schnell wie möglich.
»Ich trommle gerade das Team zusammen. Wir haben ein zweites Opfer.«
20
Montag, 7. Mai, 9:00 Uhr
Kate richtete sich wieder auf.
Heute früh war sie förmlich ins Büro gestürmt, hatte ihre Handtasche auf den Schreibtisch geworfen und sich vor den Aktenschrank gekniet.
Bitte
, hatte sie stumm gefleht.
Bitte mach, dass die Unterlagen da sind.
In der Nacht war sie um 3:04 Uhr aufgewacht und plötzlich völlig sicher gewesen, dass sie nicht unter N nachgeschaut hatte. Da waren die Notizen, ganz bestimmt. Falsch einsortiert. Oder sie hatte Randall unrecht getan, und er hatte sich die Notizen nur geholt, um sie zu kopieren. Damit er alle Unterlagen zur Hand hatte, wenn ihn das Jugendamt in die Mangel nahm.
Aber die Notizen waren nicht da. Natürlich nicht. Diese nächtlichen Eingebungen taugten doch nie etwas. Sie waren nur der spukhafte Nachhall von etwas, das hätte sein können.
Und nun kniete sie hier auf dem Fußboden in ihrem Büro und musste gleich einer ganzen Latte unbequemer Wahrheiten ins Gesicht sehen. Der Managing Partner in einer der besten Kanzleien von Halifax hatte ihre Notizen gestohlen, seine Treuepflicht verletzt und ihr das Selbstvertrauen, das Vertrauen in ihn und vor allem ihre Hoffnungen genommen. Mit einem einzigen schnellen Handgriff.
Sie lehnte das Gesicht an das kühle Metall des Aktenschranks. Und Ethan glaubte jetzt, dass sie log. Entweder um sich selbst zu schützen – oder um Randall zu schützen, weil sie eine Affäre mit ihm hatte.
Das hatte wehgetan. Erst Rebecca Manning, dann Ethan. Beide hatten angedeutet, sie hätte mit den Chefs geschlafen, um die Stelle zu bekommen. Als wäre klar, dass man sie allein wegen ihrer Fähigkeiten nicht eingestellt hätte. Und sie hatte sich den Arsch aufgerissen und jeden noch so miesen Familienrechtsfall übernommen, der auf ihrem Tisch gelandet war, nur um zu beweisen, dass LMB an ihr eine gute Mitarbeiterin hatte.
Und was war passiert? Sie hatte Mist gebaut und ihre Mandantin, ihre Kanzlei und sich selbst enttäuscht. Und ein junges Mädchen war ermordet worden.
Ihr Telefon klingelte. Sie schaute auf die Uhr auf
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