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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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Summe der Talente des Paars verkörpern, das er mit Ventris gebildet hatte. Eines Tages im Jahr 1970 war er der Meinung, dass meine literarischen und historischen Kenntnisse ausreichend seien. Ich habe also einen radikalen Wendepunkt vollzogen, indem ich mich auf seinen Rat hin auf die Zahlentheorie spezialisierte, eine der reinsten Formen der Mathematik. Während ich studierte, trat ich in den sehr exklusiven Zirkel der Kryptologie ein, mit dem Chadwick in enger Verbindung geblieben war. Er hat mich in das GCHQ, das Government Communications Headquarters, eingeführt, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Trümmern von Bletchley Park gegründet worden war. Ohne es zu merken, war ich im Begriff, rekrutiert zu werden. Knapp
vier Jahre später wurde ich in ein kleines Team innerhalb des GCHQ in Cheltenham aufgenommen. Ich habe glückliche Tage dort verbracht, wir entwickelten Ideen, arbeiteten Prinzipien für die Entwicklung von Verschlüsselungen aus, bis zu dem Tag, an dem eine Enttäuschung alles zunichte machte …«
    »Was für eine Art von Enttäuschung kann einen Mann dazu bringen, ein so aufregendes Leben aufzugeben?«
    »Wir arbeiteten seit Jahren an einem zentralen Problem, das den Spezialisten seit Jahrhunderten keine Ruhe ließ: dem Austausch zwischen Sendern und Empfängern von Schlüsseln, die ständig vom Feind abgefangen wurden und dazu dienten, die Geheimcodes zu entschlüsseln. Unsere Idee war, ein Verschlüsselungssystem mit bekanntem Schlüssel zu entwickeln, bei dem der für die Verschlüsselung benutzte Schlüssel nicht identisch ist mit dem, der für die Entschlüsselung benutzt wird. Ein revolutionäres Konzept, das allen Systemen widerspricht, die vor den siebziger Jahren in Umlauf waren. Wir hatten die eingleisige mathematische Funktion gefunden, aber es gab damals keinen Computer, der diese Art von Daten analysieren konnte. Wir waren unserer Zeit voraus und unter dem Siegel des Militärgeheimnisses von der Regierung gezwungen worden, unsere Arbeit auf Eis zu legen.«
    »Was ist geschehen?«
    »Nun, drei Jahre später hat ein Trio amerikanischer Forscher, Rivest, Shamir und Adelman, die mathematische Formel gefunden und sich die Verschlüsselung mit bekanntem Schlüssel unter dem Namen RSA patentieren lassen. Enttäuscht verließ ich das GCHQ und widmete mich rein geheimdienstlichen Aufgaben innerhalb einer Abteilung, die dem Foreign Office nahe stand. Ich wurde ein Mann der Tat, und ein paar Jahre später begann ich, vor Ort die Fernmeldetruppe einer großen Zahl von Handstreichen und Geheimoperationen zu leiten. Ich habe erst später erkannt, wie sehr ich von meinem Weg abgekommen war. Die Jahre mit Chadwick waren weit weg, und obwohl
mir dieses Leben im Untergrund ausgesprochen gut gefiel, hatte ich Zweifel. Zweifel an der Legitimität gewisser Aktionen der britischen Regierung, zunächst im Kampf gegen die IRA in Nordirland und dann während des Kriegs um die Falkland-Inseln.
    1990 nahm ich wieder Kontakt zu einem meiner alten Freunde in Cambridge auf, der damals einen hohen Posten im italienischen Kulturministerium bekleidete. Er hat mir sofort die Stelle angeboten, die ich jetzt innerhalb der Malatestiana innehabe.«
     
    Nathan sah Woods an und wusste nicht, was er sagen sollte. Er beneidete den Engländer fast um seine Vergangenheit und den Reichtum dieses Lebens, verglichen mit der beklemmenden Leere seines Daseins …
    »Da wird Ihnen nicht viel freie Zeit bleiben«, sagte er.
    »Wofür?«
    »Ich weiß nicht … für Ihre Familie zum Beispiel … Haben Sie nie geheiratet? Haben Sie keine Kinder?«
    »Kinder? Nein. Ich habe Affären gehabt, mal mehr, mal weniger ernste, aber diese Art von Aktivitäten zwingt einen zur Verschwiegenheit, dieses Leben ist nichts als eine ständige fatale Lüge. Am Anfang kann man den peinlichen Fragen noch ausweichen, aber dann schwindet das Vertrauen … kurz, nein, ich habe niemanden.«
    »Aber jetzt führen Sie doch ein normales Leben…«
    »Wenn man allein lebt, neigt man leider dazu, schlechte Gewohnheiten anzunehmen.«
    »Bedauern Sie es?«
    »Ich glaube nicht. Ich zeige meine Gefühle nicht, ich schließe sie in Schubladen weg. Bis jetzt klappt das ganz gut. Irgendwann wird das alles vermutlich wieder hochkommen und mir den Rest geben. Ich hoffe, dass das möglichst spät der Fall sein wird … auf meinem Totenbett.«

    Nathan machte sich Vorwürfe, dass er so indiskret gewesen war. Er spürte, dass Woods ihm nur aus reiner

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