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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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das eiskalte Metall hätte ihm die Haut von der Handfläche gerissen. Er igelte sich ein und wartete, in der Hoffnung, dass sie ihre Position verraten würden.
    Die Kälte lähmte nach und nach seine Muskeln, und er zitterte immer stärker. Das war ein gutes Zeichen; durch das Zittern
würde der Körper seine Temperatur halten. Aber er kühlte alle zwei oder drei Minuten um ein Grad ab. Nathan wusste, dass er so nur noch zehn oder fünfzehn Minuten würde durchhalten können; danach würden die Zuckungen aufhören, was bedeutete, dass er keine Kraft mehr zum Kämpfen hätte. Er würde ins Koma fallen, und sein Herz würde sehr schnell zu schlagen aufhören. Der Ausgang würde tödlich sein. Und auch die Batterien der Taschenlampe würden bald ihren Geist aufgeben. Nur sein stoßweiser Atem war zu hören. Die Männer hatten sich noch immer nicht bewegt. Sie warteten, bis er umfallen würde, um ihn sich zu schnappen. Noch spürte Nathan, dass er genug Kraft hatte, sie auszuschalten, aber er musste sich beeilen.
    Dieses Grab verlassen. Jetzt.
    Als er sein Bein nach draußen schob, sah er, dass die Stahlplatte ihm entgegenfiel. Er streckte sein Bein aus, trat mit aller Kraft dagegen und schleuderte sie in die entgegengesetzte Richtung.
    Die Taschenlampe in der Hand schoss er aus dem Kühlraum hinaus. Einer der Typen lag leblos am Boden, mit blutverschmiertem Gesicht.
    Ein Schlag traf seine Schulter, und eine Welle von Schmerz jagte durch seinen Körper.
    DER ANDERE.
    Nathan richtete seine Taschenlampe auf die Wand aus Chrom und erkannte in Sekundenschnelle das Spiegelbild des Mannes, der sich anschickte, erneut mit einem Schlagstock zuzuschlagen. Er drehte sich um und versetzte ihm einen Tritt gegen das Knie, das sich knirschend verdrehte. Der Mann wollte schreien, aber kein Laut kam aus seinem Mund. Lautlos stürzte er zu Boden. Nathan stieg über ihn hinweg und ging den Weg zurück, den er gekommen war.
    Er rannte wie verrückt, verfolgt von den Schmerzensschreien, die wie die Klagen eines Wahnsinnigen gegen die Wände des
Labyrinths aus Metall prallten. Einen Augenblick später hatte Nathan das Fährdeck erreicht und verließ das Schiff über die Gangway, die es mit dem Hafenkai verband.
    Er rannte noch immer. Die Kälte und der Schlag hatten ihm ganz schön zugesetzt. Seine Muskeln erwachten allmählich wieder zum Leben, aber der Schmerz wurde immer schlimmer. Bei jedem Schritt hatte er das Gefühl, bis zu den Knöcheln im Asphalt zu versinken. Seine Lungen hatten Mühe, sich mit Luft zu füllen. Er durfte nicht stehen bleiben, nicht jetzt. Den linken Arm gegen seinen Oberkörper gepresst, lief er noch schneller, bis er den Zaun erreichte. Mit einer Hand hob er den Maschendraht hoch und kroch über die kalte Erde. In dem Zustand, in dem er die beiden Typen zurückgelassen hatte, hatten sie mit Sicherheit keine Zeit gehabt, Verstärkung zu holen, es blieben ihm also ein paar Minuten. Sein Wagen stand noch dort, wo er ihn geparkt hatte. Er stieg ein, befreite sich von seinem Rucksack und schaltete die Lampe im Wageninnern ein, um sich genauer anzusehen, was er die ganze Zeit sorgsam umklammert hatte. Er ließ es in die Höhlung seiner Handfläche rollen.
    Das Fragment maß ungefähr zwei mal drei Zentimeter und wirkte eingerollt. Seine raue und geriffelte Oberfläche war von winzigen Spiralen überzogen, die zwischen braun und grünlich schimmerten. Die Form erinnerte ihn… nein, das war unmöglich …
    Als Nathan es zwischen seine Finger nahm, begriff er, dass er richtig gesehen hatte: Es handelte sich um organisches Gewebe.
    Ein Fingernagel.
    Es war ein menschlicher Fingernagel.

    14
    Was war geschehen?
    Nathan brauste über die Schnellstraße in Richtung Stadt. Der Nieselregen war zu einem Platzregen geworden, der auf den Asphalt trommelte. Man hatte einen Körper in dem Kühlraum zwischengelagert. Der Fingernagel der Leiche musste am Metall kleben geblieben sein, als man sie herausgeholt hatte… Aber die Farbe war eigenartig, das Stück Horn schien mit Fäulnispigmenten überzogen zu sein… Nathan dachte an de Wilde. Der Schiffsarzt war seine letzte Chance zu erfahren, was im Eis geschehen war. Er würde ihn schon zum Sprechen bringen. Er kramte mit einer Hand in seinem Rucksack und tippte dann die Nummer des Mannes auf der Tastatur seines Handys. Es klingelte einmal … ein zweites Mal. Geh ran, verdammt noch mal! Ein drittes Mal … Er fuhr in einen Tunnel, die kupferfarbenen Neonleuchten sausten schnell wie

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