Im Blutkreis - Roman
war die Idee bereits in ihrem Geist aufgekeimt. Nathan hatte jetzt endlich die Verbindung gefunden, die das Elias-Manuskript mit den Mördern von heute verband. In Zeiten von Epidemien wie dem einundzwanzigsten Jahrhundert war ein Virus die beste Möglichkeit zu töten, ohne Gefahr zu laufen, dass man identifiziert wurde. Aber was war das Motiv?
»Ist es vorstellbar, dass eine Untergrundorganisation Zugang zu dieser Art von Technologie hat?«, fragte Nathan.
»Wenn Sie vor zehn oder fünfzehn Jahren zu mir gekommen wären, hätte ich das vermutlich verneint. Damals verfügten nur ein paar Reiche über die für ein solches Vorhaben nötigen Mittel. Im jetzigen geopolitischen Kontext gibt es zahlreiche Möglichkeiten, diese Schwierigkeiten zu umgehen.«
»Erklären Sie das genauer.«
»Es ist allgemein bekannt, dass die Sowjets während des Kalten Kriegs ein gewaltiges Forschungsprogramm auf dem Gebiet der biologischen Waffen entwickelt haben. Mehr als siebzigtausend Spezialisten, Virologen, Genetiker arbeiteten in Labors im ganzen Land, vom Aralsee bis nach Sibirien. Man weiß das seit den Enthüllungen zweier Überläufer, Patsechnik und Alibekow, die sich nach Großbritannien beziehungsweise in die USA abgesetzt haben. Als die Sowjetunion zusammenbrach, begannen diejenigen, die diese Waffen entwickelt hatten und die nur ein paar Hundert Dollar im Monat verdienten, ihre Dienste demjenigen anzubieten, der ihnen am meisten bot. Alles ist verkäuflich, und nicht nur in Russland. So überraschend das auch klingen mag, bis zum 11. September 2001 war es ganz leicht, sich über Arzneimittelfirmen die gefährlichsten Krankheitserreger zu beschaffen, und das ganz legal, denn sie
wurden per Katalog oder im Internet angeboten. Man musste lediglich viel Geld haben. Ich denke, das ist der Fall bei Ihren mutmaßlichen Terroristen.«
»Wenn sie auf diese Weise vorgegangen sind, würde das bedeuten, dass sie, nachdem sie die Wissenschaftler angeworben und sich die Technologie besorgt hatten, nur noch die Herstellung von Schimären und die Versuche zu finanzieren brauchten.«
»Das wäre in der Tat eine Möglichkeit.«
Derenne richtete sich auf und stützte die Ellbogen auf seinen Schreibtisch.
»Sie sind kein Journalist, nicht wahr?«
»Nein.«
»Für wen arbeiten Sie?«
»Für niemanden, ich handle allein.«
»Allein… Wie das?«
»Ich kann Ihnen nicht mehr darüber sagen, und ich glaube, es ist besser für Sie, wenn Sie über diesen Aspekt der Angelegenheit nichts weiter wissen.«
»Was zwingt mich, Ihnen zu vertrauen?«
»Die Tatsache, dass ich Ihnen alles erzählt habe… Die Tatsache, dass Sie mir bis jetzt zugehört haben… Die Tatsache, dass ich Ihnen gute Gründe geliefert habe, mir zu glauben …«
»Das reicht nicht, Monsieur Falh. Sie sind in der Tat sehr überzeugend gewesen. Ein Grund mehr für mich, nicht tatenlos zuzusehen. Sie werden mir beipflichten, dass es höchste Zeit ist, die zuständigen Behörden zu informieren, oder nicht?«
Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Nathan musste den Virologen jetzt überzeugen, ihm die Führungsrolle bei den Ermittlungen zu überlassen.
»Unternehmen Sie nichts, Professor, ich bitte Sie«, sagte Nathan mit angespannter Stimme. »Unsere Mörder würden sehr schnell merken, dass sie gesucht werden. Die Verbrecher, von denen wir sprechen, hinterlassen nur sehr wenig Spuren,
und schon gar keine, die es erlauben, sie zu identifizieren. Sie schirmen alles ab, ich gerate bei meinen Nachforschungen immer wieder in Sackgassen. Sie existieren nicht, nicht einmal für die Sicherheitsdienste. Beim geringsten Alarm würden sie alle Brücken abbrechen und untertauchen. Mehr als drei Jahrhunderte kämpfen sie in aller Stille, ich denke, es kommt ihnen auf zwanzig, dreißig Jahre nicht an.«
»Zugegeben. Aber Sie… wie sind Sie auf sie gestoßen?«
»Das ist eine komplizierte Geschichte, sagen wir, dass mich etwas mit ihnen verbindet, wovon ich keine Ahnung habe. Sie haben einen Fehler gemacht, der mich auf ihre Spur gebracht hat, und auf eine Weise, die ich mir nicht erklären kann, spüre ich … ich weiß, dass nur ich sie in die Enge treiben kann.«
Derenne sah Nathan zweifelnd an.
»Das klingt reichlich mysteriös für mich, Monsieur Falh. Behalten Sie Ihr Geheimnis für sich, wenn Sie wollen. Ich nehme an, Sie haben Ihre Gründe. Was mich betrifft, ich habe nicht die Gewohnheit, es mit dem Recht nicht so genau zu nehmen. Wenn das, was Sie mir berichtet
Weitere Kostenlose Bücher